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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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tippte auf eine Kriegsverletzung. Er saß an seinem Schreibtisch und trank Kaffee, vor sich eine Akte. Er blickte mich aus farblosen Augen an, als ich nach einem kräftigen Klopfen die Tür seines Dienstzimmers öffnete.
    »Aha, der Kollege Soetting«, sagte er fast klanglos.
    »Guten Tag, Herr Kollege. Sie haben von den Fällen Hitler, Röhm, Goebbels gehört?«
    »Goebbels auch?« Wolkenhauer schüttelte den Kopf.
    »Ja, jemand hat ihm einen Lappen in den Mund gesteckt und ihn aufgehängt.«
    »Unglaublich. Mich erstaunt, offen gesagt, dass sie nicht in unsere Zuständigkeit fallen.«
    »Es wäre mir nur recht«, erwiderte ich. »Mir sind vergiftete Liebhaber und erwürgte Ehefrauen lieber. Wenn Sie sich beim Herrn Polizeipräsidenten .«
    Er winkte ab. Dazu bewegte er seine Hand nur schwach und kurz, ohne den Handballen vom Tisch zu nehmen. Möglicherweise fühlte er sich doch nicht nur zurückgesetzt, man konnte in solchen Fällen gefährliche Fehler machen. »Ich bin sicher, die Sache ist bei Ihnen in den besten Händen.« Ich bildete mir ein, ein Lächeln über sein Gesicht huschen gesehen zu haben. Jedenfalls hatte er seine braunen Zähne gezeigt.
    »Womit kann ich Ihnen dienen?«
    »Ich folge einer von zahlreichen Spuren. Sie führt zum sogenannten M-Apparat der KPD.«
    Er fixierte mich mit hervorquellenden Pupillen. Dann nickte er. »Denen ist alles zuzutrauen.«
    »Wenn ich Sie um einige Informationen bitten dürfte«, sagte ich.
    »Zum Beispiel, liegen Ihnen Erkenntnisse vor, dass dieser Apparat Anschläge auf politische Gegner plant? Individueller Terror, habe ich irgendwo gelesen.«
    »Das haben Sie gewiss nicht irgendwo gelesen, sondern in einer Veröffentlichung des M-Apparats. Ob man politische Gegner exekutieren soll, darüber streiten die Freunde hin und wieder. Kippenberger ... Ach so, Sie werden nicht wissen, wer das ist.« Er klang resignierend. »Kippenberger ist Chef der Abteilung Militärpolitik, wie sich der M-Apparat offiziell nennt. Er ist der Nachfolger des Reichstagsabgeordneten Ernst Schneller. Der Apparat hat in den vergangenen Jahren alle Schwankungen der Kominternpolitik mitgemacht. Wenn man seinen Einschätzungen folgt, leben wir im Faschismus, auch wenn die Mussolini-Rolle immer mal wieder jemand anderem zugeschrieben wird. Mal Schleicher, dann Papen, dann Hitler, meistens aber den Sozis. Zeitweise gab es mal eine T-Abteilung im M-Apparat, das T steht für Terror. Über Mordanschläge auf die Kollegen auf dem Bülowplatz und in Frankfurt muss ich Ihnen nichts erzählen.«
    Ich nickte. Es hatte eine Welle der Empörung in der Polizei gegeben.
    »Sie sollten den Kippenberger vorladen, wenn ich Ihnen den kollegialen Rat geben darf. Der wird Ihnen zwar die Hucke voll lügen, aber vielleicht lässt er was raus. Es könnte aber auch sein, dass der Mann schon abgetaucht ist. Die Kommune unterhält eine große Zahl von Geheimquartieren.«
    »Kennen Sie welche?«
    »Bestimmt nicht alle. Was ich Ihnen aber noch sagen muss: Der M-Apparat ist vor allem ein verlängerter Arm der GPU. Das ist der sowjetische Geheimdienst. Die Russen haben sich die KPD unterworfen und damit auch deren konspirativen Apparat. Genauer gesagt, dieser Apparat wurde nach den Wünschen Moskaus zusammengeschustert. Hauptbeschäftigung ist Industriespionage. Da gibt es die sogenannten Arbeiterkorrespondenten, die ausschnüffeln, welche neuen Herstellungsverfahren und Erzeugnisse bei Krupp, Stinnes oder Thyssen entwickelt werden. Die berichten das haarklein an die jeweiligen KP-Instanzen, und die leiten die Meldungen weiter an den M-Apparat. Im Apparat arbeiten Russen, die das Material der russischen Botschaft übergeben.«
    »Dann könnte also die GPU die Morde begangen haben. Um die Nazipartei zu zerstören. Um Chaos zu stiften. Und das nächste wäre dann der Aufstand der KP.« Ich sprach es vor mich hin.
    Wolkenhauer hörte sich an wie eine Ziege. »Die Kommune und der Aufstand, darüber muss ich lachen. Seit die den Thälmann wieder installiert haben, ist nichts mehr mit Revolution. Moskau denkt nur noch an sich, eine Revolte in Deutschland wäre denen zu gefährlich, Bürgerkrieg dicht an der eigenen Grenze. Und wenn sie ihn verlören, dann stünde eine deutsche Rechtsdiktatur Seite an Seite mit einer polnischen Rechtsdiktatur, Pilsudski ist Stalins Lieblingsfeind. Wenn der umkäme, ich würde das Gehalt eines Jahres auf die GPU als Auftraggeberin setzen. Aber bei Hitler und Konsorten, ich weiß nicht. Die KP ist nur

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