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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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verließ das Zimmer des Präsidenten und wusste, ich war nun auf mich gestellt. Was ich auch tat, es konnte mir vorgeworfen werden. Auf dem Weg zum Büro der Mordkommission entschied ich, mich weiter an das Recht zu halten, was immer die Folgen sein mochten. Ich war Kriminalkommissar und kein Hasardeur. Je fester meine Entschlossenheit wurde, desto größer meine Verachtung für Melcher. Mussten wir nicht gerade in Zeiten der Gewalt und des Unrechts das Gesetz schützen? Die Republik begeisterte mich nicht, aber ihre Gesetze galten für alle, auch für mich. Außerdem, was war die Alternative zur Republik? Der Kaiser, diese groteske Gestalt aus absurder Zeit, Verkörperung von Großmannssucht und Mittelmaß in einem? Wer sich die Gestalten nur anschaute, die die Monarchie wiedererwecken wollten, musste Reißaus nehmen.
    Als ich mein Büro betrat, saß Wohlfeld auf meinem Schreibtischstuhl und telefonierte. Er schaute mich verwirrt an. Seine spitze Nase war weiß, die Wangen gerötet. Er legte auf, schüttelte den Kopf und sagte:
    »Goebbels ist tot.«
     

V.
    W ohlfeld raste zu Goebbels Wohnhaus nach Steglitz, Am Bäkequell 11. »Es gab einen Brandanschlag auf das Haus, war aber nicht schlimm. Als die Feuerwehr kam, fanden sie Goebbels in seinem Arbeitszimmer an der Decke.« Er stieß es heraus und schimpfte im selben Atemzug über Kraftfahrer, die seiner Meinung nach alles falsch machten. »Wer hat den Idioten in ein Auto gesetzt? Platz da, du Lahmarsch! Aus dem Weg, rechts vor links, schon mal gehört?« So aufgeregt hatte ich Wohlfeld nie erlebt. Er war sonst die Ruhe in Person.
    »Was heißt >an der Decke    »Das heißt, er hat sich aufgehängt. Oder wurde aufgehängt.«
    »Haben Sie den Arzt alarmiert?«
    »Der ist schon dort, der hat mich angerufen. Die Feuerwehr hat ihn geholt.«
    »Ist der Tatort abgesperrt?«
    Wohlfeld warf mir einen schnellen Blick zu. »Ich glaube nicht. Tut mir leid.«
    Warum sollte ich ihm diesen Fehler vorwerfen? »Sie rufen sofort die Schupo, wenn wir angekommen sind.«
    »Jawohl!«
    Ich hätte fast gegrinst.
    Von einem Brand sah man zunächst nichts. Wir betraten das Haus. Es roch nach verbranntem Holz. Dünner schwarzer Rauch drang aus einer offenen Tür, die in den Keller führte. An der Tür stand ein Feuerwehrmann. »Wo ist die Leiche?« fragte ich ihn. Er zeigte mit dem Finger auf eine geschlossene Tür. Ich öffnete sie und sah Medizinalrat Dr. Münting neben einer Leiche knien. Sie lag auf dem Boden vor einem Schreibtisch.
    Ich erkannte Goebbels sofort. Sein Mund war weit aufgerissen, es steckte ein Lappen darin. Um den Hals lief ein roter Striemen, an einigen Stellen erkannte ich Blutkruste. Er war noch kleiner, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Er streckte mir seinen Klumpfuß entgegen. Ein kleiner Mann, der wegen seines Klumpfußes nicht in den Krieg ziehen konnte, musste um so mehr hassen. Der Gedanke stand plötzlich in meinem Kopf. Ich habe nie viel gehalten von den allzu plausiblen und modischen psychologischen Erklärungen, aber bei Goebbels drängte sich die Interpretation auf.
    »Warum das Tuch?« fragte ich den Arzt, nachdem ich ihn begrüßt hatte.
    »Keine Ahnung, vielleicht sollte er nicht schreien. Nur wie kann einer schreien, der erstickt? Wie er so an der Decke hing, hätte ich auf Selbstmord getippt. Aber welcher Selbstmörder stopft sich einen Lappen in den Mund?«
    »Es ist seltsam, Röhm hat jemand den Penis in den Mund gesteckt, Goebbels einen Lappen. Da will uns vielleicht einer was sagen.«
    »Eine Mitteilung?« Münting steckte sich eine Zigarette an. »Das ist verrückt.«
    Wohlfeld erschien. »Die Schupo kommt sofort, die Kollegen von der Kommission mit dem Mordauto auch.«
    »Gut gemacht«, sagte ich.
    Er strahlte kurz. Dann beugte er sich über die Leiche. »Komisch, ein Lappen«, sagte er. Er kniete sich nieder und betrachtete den Lappen genau. »Ich schätze, das ist Leinen, grob. Es riecht nach Öl. Ein bisschen nur, aber unzweifelhaft.«
    »Öl?« sagte ich. »Moment mal. Das Kabel, mit dem Röhm gefesselt war, hatte in Öl gelegen.«
    »Stimmt«, sagte Münting. Er zog den Rauch seiner Zigarette tief hinunter und atmete ihn langsam aus.
    Die Tür öffnete sich. Der Polizeifotograf trat ein. Er setzte den Fotoapparat auf das Stativ und schaute uns vorwurfsvoll an. Kriminalassistent Wegner, unser Spezialist für die Spurensicherung, steckte seine Halbglatze durch die Tür. »Kann ich?« Ich winkte ihn herein.
    »Wir haben übrigens den Röhm

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