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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Polizei.«
    »Aber vielleicht machen wir unterwegs noch Station«, sagte Sofia. »Es ist so schön hier.«
    »Ja, ja«, erwiderte die Alte und schaute nach draußen. Sie fing wieder an zu brabbeln.
    Als wir in Hohenstein-Ernstthal ausstiegen, erwiderte sie unseren Abschiedsgruß nicht. Am Bahnhof kaufte ich einen Fahrschein nach Waldheim. Der Zug würde durch Chemnitz fahren, es war riskant. In einer Gaststätte gegenüber dem Bahnhof aßen wir eine Kleinigkeit. Sofia strich mir über die Hand. »Es wird gutgehen, glaub mir!«
    »Du bist also Hellseherin.«
    »Wusstest du das nicht?«
    »Frauen wie du wurden bis vor ein paar Jahren noch verbrannt.«
    »Das kann wiederkommen.«
    »Du hast gewusst, dass ich mich nicht nur dienstlich für dich interessiere?«
    »So, wie du mich in Erfurt angestarrt hast. Ich habe es in deinen Augen gelesen. Ich fand es absurd.«
    »Was?«
    »Die Vorstellung, dir näherzukommen.«
    »Danke.«
    »Das hat sich jetzt ja geändert zu meiner Überraschung.«
    »Warum?«
    »Du bist einsilbig. Das hat immerhin den Vorteil, dass ich zu Wort komme.« Sie spielte mit einer Haarsträhne vor dem Ohr und schaute mich herausfordernd an. »Schön bist du nicht. Aber ich habe noch keinen erlebt, der so viel für mich aufs Spiel gesetzt hat. Einschließlich Beamtenpension. Ich gestehe, das beeindruckt mich. Und du gehst mir nicht auf die Nerven mit Weltrettungsplänen, davon habe ich jetzt einige Zeit die Nase voll.«
    »Ich hätte da auch einen!«
    »Kein Wort!« sagte sie und tat empört.
    Ich dachte darüber nach, was sie gesagt hatte. Eine Liebeserklärung war es nicht, jedenfalls keine, von der man träumt. Aber Liebeserklärungen sind Worte. Schwerer wog, was sie gesagt hatte und dass sie wie selbstverständlich neben mir saß, ihren Kopf an meine Schulter lehnte und die Augen geschlossen hatte, ohne zu schlafen. Sie war leicht und zart. Aber es brauchte mehr als einen Windhauch, um sie umzuwerfen. Sie besaß starke Nerven, war ruhiger als ich.
    Als der Zug im Chemnitzer Hauptbahnhof einfuhr, sah ich sie sofort:
    Reichswehr, Schutzpolizei und SA. Sie bildeten gemischte Streifen, feldgrau, blau, braun, und überwachten die Bahnsteige. Dann hielt der Zug, und ich erkannte weitere Soldaten, die sich in der Mitte des Bahnsteigs in einer Reihe aufgestellt hatten, Gewehr am Fuß. Sofia starrte hinaus. Ich öffnete das Fenster. An beiden Ende der Kette standen Polizeiposten, sie kontrollierten jeden, der ein- oder ausstieg. Hin und wieder schaute ein Polizist in einen dicken Ordner, offenbar eine Fahndungsliste. Sie suchten nicht nach Ganoven, sondern nach Feinden. Polizisten stiegen in den Zug. Dann standen sie auch in unserem Abteil, zwei großgewachsene Uniformierte. »Ausweise!« kommandierte der eine. Ich bewunderte Sofia. Sie gähnte und täuschte Gelassenheit vor, obwohl ich ihre Angst spürte. Meine Hände zitterten leicht. Ich suchte meinen Dienstausweis und spürte die Angst im Magen. Der Kopf schmerzte, die Augen tränten. Ich fand den Ausweis in der Gesäßtasche meiner Hose. »Hier, Kollegen«, sagte ich und hoffte, meine Stimme klang ruhig und fest. Ich musste niesen.
    Der eine Schupo zog die Augenbrauen hoch, dann legte er die Hand an den Tschako. »Und das ist Ihre Frau, Herr Kommissar.« Es war weniger eine Frage als die Einladung, es zu bestätigen. Ich nickte. Der Schupo tauschte einen Blick mit seinem Kollegen, dann deuteten sie eine Verbeugung an und wünschten eine gute Reise. Sie schlossen die Abteiltür. Sofia saß erstarrt an meiner Seite. Ich nahm ihre Hand, sie war kalt.
    »Wir dürfen jetzt keine Erleichterung zeigen«, sagte ich. »Sonst sind wir dran. Sie haben sich gewiss meinen Namen gemerkt und werden noch mal in ihrer Fahndungsliste gucken. Vermutlich steht er nicht darin, aber trotzdem erscheint es ihnen merkwürdig, dass ein Kriminalkommissar in diesen Zeiten mit einer Frau, sei es seine oder nicht, auf Reisen geht. Ohne Frau könnte es eine Dienstreise sein, das ist nicht verdächtig. Aber mit Frau ist es keine. Urlaub gibt es nicht im Bürgerkrieg. Sie trauen sich natürlich nicht, einen Kommissar aus dem Zug zu zerren. Jedenfalls nicht ohne Befehl eines Vorgesetzten.«
    »Was heißt das?« fragte Sofia.
    »Dass sie entweder gleich mit Verstärkung wiederkommen oder uns in Ruhe lassen.« Ich stand auf, trat in den Gang und schaute auf der anderen Seite des Waggons auf die Bahngleise. Ein Zug fuhr ein, »Chemnitz-Zschopau-Ehrenfriedersdorf.« stand auf den

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