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Der Consul

Der Consul

Titel: Der Consul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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SA-Leute. Langsam fuhr ich auf die Sperre zu und suchte meinen Dienstausweis. Ich sah die Schweißperlen auf Bergs Stirn, während ich meine Taschen durchkramte. Schließlich stemmte ich mich im Sitz hoch, um die Gesäßtasche zu erreichen. Dort fand ich den Ausweis. Sie kontrollierten einen Maybach. Wir rollten hinter den Luxuswagen und schauten zu. Der Chauffeur musste aussteigen und den Kofferraum öffnen. Daneben stand ein SA-Mann mit dem Karabiner in der Armbeuge. Andere standen weiter weg und beobachteten argwöhnisch, was der Chauffeur und die für uns nicht erkennbaren Insassen des Maybach taten. Ein Polizist beugte sich in den Kofferraum des Autos, griff mit der Hand nach irgendwelchen Dingen, dann sagte er dem Chauffeur etwas und ging fort. Der Chauffeur setzte sich auf den Fahrersitz, dann rollte der Maybach an. Ein SA-Mann winkte uns nach vorn. Ich öffnete die Scheibe und hielt einem Polizisten den Dienstausweis hin. Er straffte sich, führte die Hand an den Tschako.
    »Was ist hier los?« herrschte ich ihn an. Es fiel mir nicht schwer, meine Laune war schlecht.
    »Routinekontrolle, Herr Kommissar.«
    »Aber nicht für uns. Geben Sie den Weg frei, wir haben es eilig. Gerichtstermin in Rostock.« Ich sprach militärisch knapp.
    Der Mann blickte einen Augenblick hilflos um sich, dann führte er die Hand an den Tschako und sagte laut: »Jawohl, Herr Kommissar. Passieren! Gute Reise!«
    Ich legte den Zeigefinger an die Stirn und fuhr los. Im Rückspiegel sah ich den Polizisten uns nachblicken. Ich gab Gas und er verschwand hinter einer Kurve.
    »Wie früher«, sagte Berg. Er räusperte sich.
    »Was heißt >wie früher    »Immer drauf auf den Feind.«
    Ich antwortete nicht. Er würde mich nicht verstehen. Ich war nicht mutig, ich hatte bloß weniger Angst, wenn ich die Dinge anpackte oder es mir zumindest einbildete. Nichts war furchterregender, als etwas Fremdem ausgesetzt zu sein. Ich erinnerte mich an die Tage und Nächte im Unterstand, während das Trommelfeuer über uns hinwegrollte. Damals fühlte ich mich hilflos wie ein Kleinkind, es war Zufall, ob es einen traf oder nicht. Aber wenn ich mich bewegen konnte, wenn ich etwas tat, dann verflog die Angst.
    Wir hielten unterwegs nur an, um zu tanken. Nach Lauenburg stand eine lange Schlange, wir konnten den Anfang nicht sehen. Ich bog ab in Richtung Schwarzenbek und stieß kurz nach Wentorf auf eine der Einfallstraßen nach Hamburg. Es war lebhafter Verkehr am Nachmittag. Wir folgten den Wegweisern zum Hafen. Berg wusste nicht, wo sein Schiff angelegt hatte. Wir fanden es im Hansahafen. Ich ließ ihn aussteigen, er hob kurz die Hand, drehte sich um und ging. Ich war erleichtert, ihn los zu sein, und hoffte, er liefe mir nie wieder über den Weg.
    In einer billigen Hafenkneipe aß ich etwas, bevor ich mich auf die Rückfahrt machte. Es gab nur eine Straßensperre, kurz vor Nauen. Als ich wieder zu Hause war, schlief ich erschlagen ein. Am Morgen rief ich im Präsidium an, um mich erneut krank zu melden.
     

X.
    E s ist kein Blut, auch kein Öl in der Probe, die Sie mir gegeben haben. Dafür haben wir schwache Reste von Öl am Griff des Messers gefunden, mit dem Strasser ermordet wurde. Der Täter hat den Griff vielleicht mit einem Handschuh angefasst, der mal mit Öl in Berührung gekommen ist « , sagte Münting. Er saß mir am Schreibtisch gegenüber.
    »Sie sollten gleich wieder nach Hause gehen und sich ins Bett legen, Herr Kommissar. Es war vernünftig, dass Sie die letzten Tage zu Hause geblieben sind.«
    »Sorgen Sie sich besser um die Toten, Herr Doktor.«
    Münting verzog das Gesicht. »Davon haben wir zur Zeit ein paar zuviel. Leichen über Leichen, manche kannte man als Kommunisten und Sozialdemokraten, auch SA-Leute, die von der falschen Fraktion. Erschossen, erschlagen, gefoltert mit einer unübertrefflichen sadistischen Phantasie. Sie waren ja unterwegs, Herr Kommissar. In Berlin und anderswo herrschte der Mob. Und jetzt reden alle von Amnestie. Der Polizeipräsident hat befohlen, es handele sich nicht um Mordopfer, sondern um Gefallene. Wir sollen sie begraben, damit ist die Sache erledigt. Sie verstehen, dass ich den Humor verliere?«
    »War nicht so gemeint, ich bin übler Laune«, sagte ich. Meine Stimmung war eher noch schlechter geworden.
    Münting nickte. Ich merkte erst jetzt, wie stark ich gehofft hatte, im Keller des Hauses am Friedhof auf eine Spur gestoßen zu sein. Es war nichts. Aber immerhin hatten wir nun die Gewissheit,

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