Der Cop und die Lady
Augen stiegen. Vielleicht war das ja meine Mutter. Und ich erkenne nicht mal ihre Stimme.
Piep. „Hallo, Nina. Hier ist Armand.” Eine Männerstimme, Auch sie klang schon älter, aber volltönend und herzlich. Der Mann hatte einen europäischen Akzent. „Warum warst du denn heute nicht im Büro? Ich mache mir ein bisschen Sorgen, weil du nicht mal angerufen hast. Na, ich bin sicher, spätestens morgen lässt du was von dir hören. Lass es mich wissen, wenn du was brauchst.” Klick.
Piep. Klick.
Piep. Klick.
Piep. Klick.
Stille.
„Ich hasse es, wenn die Leute einfach auflegen”, bemerkte Mike.
Nina nickte.
„Vielleicht wollte nur jemand wissen, ob Sie zu Hause sind.”
„Vielleicht.” Als sie ihn ansah, war er überrascht über den qualvollen Ausdruck in ihren Augen. „Ich möchte wetten, dass das meine Mutter war, Novalis. Meine Mutter. Und ich kann sie nicht mal zurückrufen, weil ich ihre Nummer nicht weiß.” Sie biss sich auf die Unterlippe.
Als Mike antwortete, klang seine Stimme sanfter als beabsichtigt. „Wir werden sie schon herausfinden.” Ohne darüber nachzudenken, was er tat, machte er einen Schritt nach vorn, legte einen Finger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht zu sich empor. „Wir werden es herausfinden”, wiederholte er, was von ihr mit einem leicht zittrigen Lächeln quittiert wurde. Als er in ihren braungrün gesprenkelten Augen funkelnde Lichter tanzen sah, hielt er den Atem an. Nina war unfähig, sich zu bewegen; wie gebannt von seiner zarten Berührung und seinem durchdringenden Blick starrte sie ihn an. Sie spürte eine Hitzewelle in sich aufsteigen. Dann drehte sie schnell den Kopf beiseite, und er ließ die Hand sinken, als hätte er sich verbrannt.
Sie standen sich einen Moment schweigend gegenüber, wobei sie es vermieden, sich anzusehen.
„Nun”, sagte sie endlich mit gespielter Munterkeit, „irgendwie werde ich mein Leben schon wieder in den Griff kriegen.” Damit wandte sie sich ab und ging in Richtung Schlafzimmer. Ohne sich nach ihm umzusehen, fügte sie hinzu: „Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause.”
Er sah ihr hinterher und schloss dann die Tür. „Keine Angst, Baby”, brummte er, als sie bereits weg war, „ich werde genau das tun, was ich für richtig halte.”
3. KAPITEL
Im Schlafzimmer herrschte ein heilloses Durcheinander. Zuerst mussten die Kleider vom Fußboden weg. Sie legte die Pullover zusammen und hängte die Blusen, Röcke und Jacken wieder in den Schrank, wobei sie den Gedanken, dass ein Fremder ihre Sachen in der Hand gehabt hatte, zu verdrängen suchte. Die weichen Stoffe und gedämpften Farben wirkten beruhigend auf sie. Fast zu beruhigend, dachte sie, während sie ihre Garderobe, die fast nur in Grau, Beige oder Dunkelblau gehalten war, nachdenklich musterte. Die Sachen waren zwar durchweg geschmackvoll, jedoch recht konservativ. Ich werde mir etwas Rotes kaufen, beschloss sie. Etwas Abwechslung kann nicht schaden. Als sie sich einen knallroten Ledermini neben ihrem beigen Kamelhaarmantel vorstellte, hätte sie fast gekichert. Vielleicht sollte sie erst mal mit einem Pullover anfangen.
Nachdem die Kleider alle wieder an ihrem Platz waren, schaute sich Nina zufrieden um. Das Chaos begann sich zu lichten.
Mike kramte im Wohnzimmer herum; Nina hörte, wie Schubladen geöffnet und wieder zugeschoben wurden. Sie bedauerte es, dass er die Tür zwischen ihnen mit einer solchen Endgültigkeit geschlossen hatte. Zuerst war sie erleichtert gewesen, weil sie sich so ungestörter fühle n konnte, doch mittlerweile hatte ihre Neugier die Oberhand gewonnen. Was trieb er bloß? Sie hatte ein Recht, es zu wissen, schließlich waren es ihre Sachen, in denen er herumkramte.
Sie konnte nicht den ganzen Nachmittag im Schlafzimmer verbringen. Das Bett musste noch in Ordnung gebracht werden. Die Laken, die der Einbrecher heruntergerissen hatte, wollte sie nicht mehr verwenden. Aber im Bad hatte sie einen Wäscheschrank entdeckt, dort würde sie sicher neue finden. Ein viel größeres Problem waren die aufgeschlitzten Kissen.
Als Nina die Schlafzimmertür öffnete, saß Mike an ihrem Schreibtisch und ging seelenruhig einen Papierstapel durch, den er anscheinend der Hängeregistratur entnommen hatte. Sie schluckte eine verärgerte Bemerkung hinunter, konnte sich jedoch nicht verkneifen zu fragen: „Na, schon was Interessantes gefunden?”
Er warf ihr einen gleichgültigen Blick zu. „Noch nicht. Aber machen Sie sich keine Sorgen, wenn ich etwas
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