Der Cop und die Lady
in der Firma bezüglich des Anschlags nichts Neues ergeben.
Niemand schien etwas zu wissen. Nina war unter ihren Kollegen beliebt und hatte keine Feinde. Nur ihre Sekretärin hatte Mike gegenüber in Andeutungen fallenlassen, dass N ina in den Tagen vor dem Anschlag möglicherweise etwas anders als sonst gewesen sei. Sie hätte einen etwas beunruhigten Eindruck gemacht.
Immerhin kristallisierte sich langsam ein gewisses Muster von Ninas Leben heraus; offensichtlich ging sie mit ihrer Freundin Danielle regelmäßig zur Gymnastik, einmal im Jahr fuhr sie zu einer Studienkollegin nach San Francisco, zwei-oder dreimal im Jahr besuchte sie ihre Mutter in Florida. Im vergangenen Jahr hatte sie sich ab und zu mit Männern verabredet, aber aus keiner der Beziehungen war etwas Ernsthaftes geworden. Ninas Sekretärin beschrieb sie Mike gegenüber, als „nette Jungs, aber nicht mehr - falls Sie verstehen, was ich meine”. Mike verstand.
Nina hatte mittlerweile alles über ihre Arbeit in Erfahrung gebracht. Sie war auf Smaragde spezialisiert und besuchte seit einiger Zeit regelmäßig die vierteljährlich in Kolumbien stattfindenden Edelsteinauktionen, zu denen Interessenten aus aller Welt anreisten. Obwohl sie um vieles jünger war als die meisten anderen Spezialisten auf diesem Gebiet, hatte sie sich schon seit längerem einen Namen gemacht und hielt sogar einmal im Jahr ein Seminar über Edelsteine an der Princeton University ab.
„Nun? Fühlen Sie sich jetzt ein wenig besser?” erkundigte sich Mike auf der Heimfahrt.
„Ja”, erwiderte sie und merkte zu ihrer eigenen Überraschung, dass es die Wahrheit war. „Ich weiß zwar noch immer nicht, was in der Nacht zum Mittwoch passiert ist, aber zumindest bekommt mein Leben langsam wenigstens Umrisse.
Wahrscheinlich muss ich nur etwas Geduld haben, dann kommt alles andere auch wieder zurück.”
Nachdem er den Wagen vor ihrem Haus zum Stehen gebracht hatte, fragte sie ihn nach seinen Plänen für den nächsten Tag.
Er wollte nicht gern zugeben, dass er eigentlich gar keinen Plan hatte. Es gab nicht eine einzige heiße Spur, die er hätte verfolgen können; und dennoch weigerte er sich, einfach aufzugeben. Weil er in diesem Fall Nina wahrscheinlich niemals wiedersehen würde. Und weil er sich Sorgen um sie machte. Aber wie hätte er ihr sagen sollen, dass er das Gefühl nicht los wurde, dass sie noch immer in Gefahr schwebte? Verzweifelt suchte er nach einer Antwort, und als ihm auch nach längerem Überlegen nichts Passendes einfiel, entschloss er sich zur Flucht nach vo rn.
„Ich habe keinen Plan, aber wir bleiben in Verbindung. Falls Sie mich heute Abend oder morgen brauchen sollten, bin ich im Headquarter telefonisch zu erreichen. Sie können mich jederzeit dort anrufen, okay? Ich habe einigen Schreibkram zu erledigen. Sie sind nä mlich nicht mein einziger Fall, müssen Sie wissen.” Die letzte Bemerkung war eher scherzhaft gemeint. Mike suchte nach einem Grund, sie noch ein bisschen im Wagen festzuhalten. Was er allerdings niemals offen zugegeben hätte.
„Ja, ich weiß”, gab sie zurück, während sie die Wagentür öffnete. Ihr Rock schob sich ein Stückchen nach oben und enthüllte für einen kurzen Moment ihre langen, schlanken Oberschenkel. Bevor sie die Tür zuschlug, beugte sie sich noch einmal zu ihm ins Wageninnere hinein. „Aber ich wette, ich bin die erste Juwelenspezialistin mit Amnesie, die Ihnen untergekommen ist, stimmt’s?”
„Woher wollen Sie das denn wissen?” konterte er belustigt, dann grinste er. „Na ja, zugegeben, Sie sind tatsächlich die erste.” Und die einzige langbeinige, grünäugige und rothaarige, fügte er in Gedanken hinzu. „Bis dann.”
Mike wartete, bis Ninas schlanke Gestalt im Haus verschwunden war, dann startete er den Motor, wobei er sich plötzlich wünschte, Nina auf anderem Wege kennengelernt zu haben. Auf einem Weg, der mit seinem Job nichts zu tun hatte.
Und als er eine halbe Stunde später in seinem Büro eine Notiz von Morris Hecht vorfand, verstärkte sich dieser Wunsch noch. Nachdenklich starrte er auf den Zettel. Morgen, 13.00 Uhr in meinem Büro. Betr. Dennison. Ihm schwante Böses.
Morgen würden sie ihn von dem Fall abziehen, dessen war er sich sicher.
An diesem Abend rief Nina ihren Bruder Charley in Chicago an. Obwohl er sich über ihren Anruf zu freuen schien, war es offensichtlich, dass er nicht recht bei der Sache war. Nina plauderte ein paar Minuten unverbindlich über dies und jenes,
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