Der Cop und die Lady
seit sie im Krankenhaus aufgewacht war, glaubte sie festen Boden unter den Füßen zu spüren. Mühelos bestimmte sie den nächsten und auch den übernächsten Stein.
„Jetzt siehst du, was du hier machst”, erklärte Zakroff tief befriedigt.
„Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, aber ich glaube, dieser Stein hier könnte aus Kolumbien stammen”, sagte Nina, die Juwelierslupe noch immer im Auge.
„Du irrst dich nicht, Nina”, bestätigte Zakroff. „Du hast ihn selbst mitgebracht.
Wirklich toll, Schätzchen, deine ausgezeichneten Kenntnisse hast du zumindest nicht verloren.” Er wandte sich an Mike. „Nina ist eine ganz hervorragende Juwelenspezialistin. Eine der besten, die ich je kennen gelernt habe.”
Mike sah, wie ein Strahlen über Ninas Gesicht ging. Zakroffs anerkennende Worte waren ganz offensichtlich Balsam auf ihre Wunden. Plötzlich glaubte Mike nachfühlen zu können, was sie seit zwei Tagen durchmachte - sie hatte keine Identität mehr. Und nun hatte sie endlich wieder ein Zipfelchen davon zu fassen bekommen. Wenig später jedoch wurde ihm etwas ganz anderes klar: Gerade war er ihr zum ersten Mal ohne Misstrauen begegnet. Er war einen Moment lang fest davon ausgegangen, dass ihre Amnesie nicht vorgetäuscht war. Pass auf, ermahnte er sich. Das könnte nach hinten losgehen. Und du hast dich schon einmal geirrt.
„Aber auch die merkwürdigste”, fuhr Zakroff fort, während er sie mit einem liebevollen Blick bedachte. „Sie selbst weigert sich nämlich beharrlich, wertvolle Steine zu tragen. Sie liebt nur so billigen Kram wie Türkise, Korallen oder Amethyste. Ich bin sicher, hätte sie die Wähl zwischen einem Spodumen und einem blauen Brillanten, würde sie den Spodumen vorziehen.”
„Spodumen?” fragte Mike. „Nie gehört. Klingt irgendwie nach einem osteuropäischen Gemüse.”
Als Nina in ein übermütiges Lachen ausbrach, fiel Mike auf, dass er sie noch niemals lachen gehört hatte. „Oder ein italienisches Nudelgericht”, sagte sie.
„Oder eine Tropenkrankheit.”
„Oder ein Toilettenreiniger …” Nina hielt inne. Armand Zakroff sah von ihr zu Mike und wieder zurück, ganz wie ein Zuschauer, der ein spannendes Tennismatch verfolgt. „Nein, in Wirklichkeit ist ein Spodumen”, fuhr sie, nun wieder ernst geworden, fort, „ein sehr hübscher Halbedelstein.”
„Nina, Nina, du magst zwar dein Gedächtnis verloren haben, aber ansonsten bist du noch ganz die alte”, sagte Zakroff. „Ständig fängst du wieder von diesen Halbedelsteinen an, warum wir nicht mehr damit machen und so weiter und so fort. Deine Kämpfe mit Julien …” Rasch unterbrach er sich und rückte seinen Seidenschal gerade.
„Wollen Sie damit sagen, dass es zwischen Miss Dennison und Ihrem Partner Streit gab?” hakte Mike sofort nach.
Zakroff schaute etwas betreten drein. „Ich hätte nicht davon anfangen sollen.”
„Sie haben es aber”, gab Mike ungerührt zurück. „Und jetzt täten Sie besser daran zu erklären, was Sie damit gemeint haben.”
„Bitte, Armand. Ich muss alles über mich wissen, was es zu wissen gibt”, drängte nun auch Nina.
„Es waren keine richtigen Kämpfe. Wohl eher Meinungsverschiedenheiten.
Deine Idee war es, dass wir uns mehr auf Halbedelsteine konzentrieren und mit innovativen Schmuckdesignern zusammenarbeiten sollten, während Julian alles so belassen wollte, wie es jetzt ist, vor allem deshalb, weil das Geschäft mit hochwertigen Edelsteinen den höchsten Profit verspricht. Und darüber habt ihr beide euch eben gelegentlich … hattet ihr manchmal Meinungsverschiedenheiten, wenn du so willst. Aber so etwas kommt schließlich in den besten Familien vor.”
„Und du? Auf wessen Seite standest du?”
Er begegnete ihrem Blick direkt. „Auf keiner. Julian ist mein Partner, ich habe zusammen mit seinem Vater die Firma gegründet. Und du bist meine wertvollste Angestellte. Ich habe mir eure Argumente einfach nur angehört und darüber nachgedacht. Bis jetzt bin ich noch zu keiner Entscheidung gelangt.”
„Ich verstehe. Und was ist mit mir? Glaubst du, du kannst jetzt noch etwas mit mir anfangen, auch wenn ich nicht einmal weiß, seit wann ich hier schon arbeite?”
Zakroff erhob sich aus seinem Schreibtischstuhl, ging zu Nina hinüber und legte ihr beide Hände auf die Schulter. „Aber Nina”, sagte er väterlich, „wo denkst du denn hin? Du arbeitest nun seit sechs Jahren hier und bist mir inzwischen ans Herz gewachsen wie eine Tochter. Ob ich mit
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