Der Countdown
immer war Maggie eine Einzelgängerin gewesen. Doch heute Nacht wünschte sie sich dringend eine Freundin, jemanden, mit dem sie sprechen konnte. Als sie sechs Jahre alt war, hatte sich ihre Mutter umgebracht, nachdem ein betrunkener Autofahrer Maggies ältere Schwester April auf ihrem Fahrrad überfuhr. Maggies Vater hatte sie allein aufgezogen, bis sie Jake heiratete. Dann begann ihr Vater eine Beziehung mit einer jüngeren Frau, einer Drogenabhängigen, die er in der Entzugsklinik kennengelernt hatte.
Er zog nach Arizona, und Maggie hatte seit Jahren nicht mehr mit ihm gesprochen.
Nun hatte sie ihn angerufen, um zu erfahren, ob er etwas von Jake gehört hatte, doch das Gespräch war kurz gewesen.
Nein.
Jake hatte ebenfalls keine Familie. Seine Eltern hatten sich scheiden lassen, gleich nachdem er die Highschool beendete hatte. Fünf Jahre später starb sein Vater an Krebs. Seine Mutter dann vor drei Jahren.
Maggie und Jake waren immer für sich geblieben, glücklich, dass sie einander hatten. In dem Wissen, dass sie jedes Problem gemeinsam meistern konnten.
Bis jetzt.
Was war im Irak wirklich mit Jake geschehen?
Maggie wusste, dass er bei geheimen Kommandos gefahren und sein Konvoi oft unter Beschuss geraten war. Doch er weigerte sich, ihr Einzelheiten zu erzählen, als sie sich wegen seines düsteren Brütens, seiner Albträume und Ausbrüche sorgte.
Eines Tages ging Jake mit ihr zum Supermarkt, wo sie Craig Ullman begegneten, Logans Fußballtrainer. Während sie miteinander sprachen, huschte ein eisiger Ausdruck über Jakes Gesicht. Ein paar Tage später wandte er ihr nachts im Bett den Rücken zu.
“Ich weiß, dass du mit Ullman geschlafen hast, als ich drüben war.”
Sie war geschockt.
Jake hatte nicht nur unrecht, er machte ihr zudem Angst, weil es fast so schien, als ob er den Verstand verlor. Danach folgte dann eine Szene bei einem von Logans Spielen. Jake war außerhalb beschäftigt gewesen und zu spät gekommen. Logan winkte vom Feld aus, und Maggie winkte von ihrem Platz zwischen den anderen Eltern an der Seitenlinie.
Jake ignorierte sie und marschierte auf Craig Ullman zu.
“Ich weiß Bescheid, Arschloch”, sagte Jake.
Ullman blickte verwirrt von seinem Klemmbrett auf.
“Stimmt irgendwas nicht, Jake?”
“Du hast meine Frau gebumst, als ich weg war.
Ich weiß es, verdammt noch mal
!”
“Was redest du da?”
Jake starrte erst sie an und dann Logan, der ebenso wie alle anderen alles mitbekommen hatte. Dann drehte er sich einfach um, ging wortlos davon und verbrachte die Nacht in seinem Sattelschlepper, der in der Auffahrt vor ihrem Haus parkte.
Sie und Logan ertrugen die Blamage, und in den nächsten Tagen wollte Jake nicht über den Vorfall reden. Er hatte einige Ferntransporte, während Maggie die Telefonseelsorge anrief, um ihr Leben irgendwie wieder in den Griff zu bekommen.
Sie tat alles Menschenmögliche für ihre Familie.
Maggie öffnete die Augen.
Da ist es wieder
.
Das Geräusch.
Dieses Mal ein bisschen lauter.
Sie stand auf, um nachzusehen.
Sie ging in den Flur und blickte sich um. Unbehagen kroch in ihr hoch, als sie auf das Wohnzimmer und die Arbeitsecke zusteuerte. Nichts Offensichtliches. Doch irgendetwas fühlte sich falsch an. Sie ging ins Badezimmer und sah hinter den Duschvorhang.
Nichts.
Sie ging in Logans Zimmer. Nichts. Sie kehrte zurück ins Wohnzimmer, wo sie diesmal weiter in die Arbeitsecke vordrang, in der sich ihr Computer und die Akten über Jake und Logan befanden.
Die winzigen Härchen in ihrem Nacken richteten sich auf.
Ihre Papiere waren durchwühlt worden, einige lagen auf dem Boden.
War jemand in ihrem Haus gewesen?
Maggie sah zur Hintertür direkt neben der Arbeitsecke. Sie stand einen Spalt offen. Sie schloss sie und legte den Riegel vor.
Hatte sie die Tür etwa offen gelassen?
Sie war auch früher schon unachtsam gewesen, wenn sie Sorgen hatte.
Wenn sie die Tür offen gelassen hatte, würde das die durcheinandergebrachten Papiere erklären. Es war windig heute Abend.
Aber was war das?
Ein entfernter Duft. Ein Hauch von etwas, das sie nicht identifizieren konnte.
Vielleicht war es auch nur Einbildung.
War sie so angespannt, dass ihr Verstand ihr Streiche spielte?
Unsinn. Sie konnte im Moment nur nicht damit umgehen.
Nein. Es war seltsam, aber sie fühlte eine Präsenz hier im Arbeitszimmer.
Maggie fuhr zusammen, als das Telefon klingelte.
Wer würde um diese Zeit anrufen?
Hoffnung erfasste sie kurz, bevor wieder die
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