Der Countdown
der Atem wegbleibt.
Das Letzte, was er in der sengenden Sonne sieht, sind Maggie, die ihm am Strand zulächelt, und Logan, der ihm in seine geöffneten Arme läuft.
22. KAPITEL
C old Butte, Montana
Nachdem Samara das Frühstücksgeschirr gespült hatte, goss sie einen Tee auf und setzte sich an ihren Laptop.
Jake war unterwegs, Logan in der Schule.
Sie hatte zwei Stunden für sich, bevor sie in die Klinik musste.
Unter verschiedenen Identitäten und Passwörtern klickte sie sich durch allerlei Websites, um diverse Mail-Accounts zu überprüfen.
Die E-Mail, die sie erwartete, war noch nicht eingetroffen.
Samara klickte auf ihren verborgenen Ordner, um sich an die Freude in ihrem Leben zu erinnern: ihren Mann, ihren Sohn, ihre Mutter und ihren Vater. Sie lächelte angesichts ihrer Portraits, und Samaras Herz füllte sich mit Zuneigung. Denn jeder einzelne Tag brachte sie alle dem immerwährenden Glück näher.
So wie es eben ihr Schicksal war.
Samara schaltete den Laptop aus und blickte in den endlosen Himmel von Montana. Bald würde die Welt von der reinen, unangreifbaren Wahrheit ihres Handelns erfahren. Bald würde ihr Name von jedem Menschen auf der Welt genannt werden.
Samara Anne Ingram.
Ihr Vater John Ingram, war ein britischer Archäologiestudent, der seine Doktorarbeit während einer Ausgrabung in der Nähe von Mosul beendet hatte. Dort lernte er die Schwesternschülerin Amina kennen. Sie verliebten sich, und Amina kehrte mit ihm nach London zurück.
Nach der Beendigung ihrer Ausbildung heirateten John und Amina in London, wo kurze Zeit später die kleine Samara zur Welt kam. Die Eltern zogen ins East End der Stadt, wo ihr Vater an einem kleinen College lehrte und ihre Mutter als Krankenschwester in einer Klinik arbeitete.
Samaras Leben verlief glücklich.
Bis sie ihre Eltern verlor.
Sie dachte jeden Tag an sie, erinnerte sich an das liebliche Lächeln ihrer Mutter und wie sie das Haus mit dem Aroma von
Samoon
und
Khubz
erfüllt hatte, jenen köstlichen Broten, die Samara so gerne mit Marmelade oder Honig aß.
Ihr Vater saß stundenlang in seinem Arbeitszimmer, wo er Pfeife rauchend Artefakte aus assyrischem Elfenbein oder antiken Scherben studierte. Oft gingen sie alle zusammen ins lokale Teehaus, wo sie über Kunst und Geschichte sinnierten und über Samaras Wunsch sprachen, Krankenschwester zu werden, so wie ihre Mutter.
Sie wollte Menschen helfen.
Samara verschrieb sich dem Lernen und wurde an der Universität angenommen, wo sie sich in Muhammad verliebte, einen Medizinstudenten aus dem Irak. Er war der intelligente und gut aussehende Sohn eines Arztes in Bagdad. Muhammad verstand sich gut mit Samaras Vater und entzückte natürlich ihre Mutter, die nur zu gern für ihn kochte.
Nachdem Muhammad seinen Abschluss in Medizin gemacht und Samara ihre Ausbildung beendet hatte, heirateten sie bei einer kleinen Zeremonie in London. Danach zogen sie nach Bagdad, weil Muhammad aus tiefstem Herzen glaubte, dass es ihre Bestimmung im Leben sei, das Leid dort zu lindern.
“Gemeinsam werden wir vielen Menschen helfen, die dringend Hilfe brauchen, Samara.”
Doch er warnte sie. Das Leben im Irak würde nicht einfach sein. Sie würden mit den Verwüstungen des Golfkriegs und den Sanktionen zu kämpfen haben.
Ein knappes Jahr nach ihrem Umzug musste Samara sich ihrer bisher größten Herausforderung stellen, die allerdings nichts mit den Lebensumständen in Bagdad zu tun hatte.
Samara arbeitete gerade in der Nachtschicht, als ihre Vorgesetzte sie ans Telefon rief. Ein britischer Diplomat war am Apparat, der sie über ihren britischen Pass aufgespürt hatte. Er sagte ihr, dass ihre Mutter und ihr Vater während ihres Urlaubs in Griechenland mit dem Mietwagen von der Straße abgekommen und eine Klippe hinuntergestürzt seien.
Beide waren sofort tot gewesen.
Samara brach zusammen.
Erst in der Woche zuvor hatte sie erfahren, dass sie schwanger war. Sie wollte es ihren Eltern in einigen Tagen mitteilen. Völlig überfordert, fürchtete sie nun um ihr Baby. Muhammad eilte an ihre Seite. Ohne ihn hätte sie die Zeit nicht überstanden. Sie fuhren gemeinsam nach London. Er half ihr, die Eltern würdig zu bestatten, und half ihr zu trauern, wobei er gleichzeitig dafür sorgte, dass sie ihrem ungeborenen Baby stets Liebe und positive Energie vermittelte.
“Wir sind jetzt zu dritt. Wir müssen zusammenhalten, um all dies durchzustehen”, sagte Muhammad auf ihrem Rückflug in den Irak.
Es war eine
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