Der Coup von Marseille
imposanten Kommandobrücke vorbei, auf der Lord Wappings persönliche Flagge wehte, ein großes W, das eine Weltkugel überspannte. Die Radaranlage konnte sich ebenfalls sehen lassen, genau wie die Davits – Kräne, mit denen normalerweise die Beiboote einer Jacht zu Wasser gelassen oder hinaufgehievt wurden und die leer waren, wie Sam bemerkte –, die makellose Lackierung, die glänzenden Bullaugen und, hoch droben auf dem Achter-deck wie ein riesiges, glänzendes Insekt thronend, der weiße Hubschrauber mit dem Eintragungszeichen Wapping Air, das sich in großen scharlachroten Buchstaben über die ganze Seite erstreckte.
Sam überlegte gerade, wie viele Gallonen Treibstoff die Jacht pro Seemeile verbrauchen mochte, als er merkte, dass sie beobachtet wurden. Ein junger Deckarbeiter, ganz in Weiß, beäugte Birgitta eingehend durch sein Fernglas.
»Birgitta? Würden Sie mir einen Gefallen tun?«, fragte Sam. »Winken Sie dem netten jungen Mann an Deck doch bitte einmal zu.«
Birgitta, die sich an die Windschutzscheibe des Schnellboots gelehnt hatte, richtete sich aus ihrer gebückten Haltung zu voller Größe auf, nahm die Kappe ab und schwenkte sie vehement hin und her, wobei der obere Teil ihres sogenannten Badeanzugs ernsthaft in Bedrängnis geriet. Nach einem kurzen Moment des Zögerns grinste der Deckarbeiter und winkte im Gegenzug mit seinem Fernglas zurück. Jean-Claude brachte das Schnellboot nahe genug heran, um ein Gespräch zu beginnen.
Sam blickte zu dem Deckarbeiter empor. »Ein umwerfendes Schiff. Eine echte Schönheit«, rief er.
Durch die Chance auf eine Nahansicht von Birgitta zweifellos ermutigt, winkte der Deckarbeiter sie näher heran. »Der Eigner und alle anderen sind gerade an Land. Hätten Sie Lust auf eine kurze Besichtigung?«
Der Deckarbeiter stellte sich als Bob vor und entpuppte sich als ein Mann, der seine wahre Berufung, die zu einem Fremdenführer nämlich, eindeutig verpasst hatte. Er eilte voran, beschrieb, erklärte, unterstrich und deutete auf Sehenswürdigkeiten von besonderem Interesse hin, wobei Philippe, der ein Problem mit seinem Handy zu haben schien, die Nachhut bildete. Sie durften einen Blick auf die Kommandobrücke und ihre Wunderwerke der Navigation, das gepolsterte Deck zum Sonnenbaden, den Whirlpool, den Essbereich mit einem Grill, der groß genug für eine ganze Schafherde gewesen wäre, und den Hauptsalon werfen. Hier herrschte eine Sinfonie in Gold und Weiß vor – weiße Wände, Lampenschirme aus Goldlamé, weiße Teppiche, Spiegel mit Goldrahmen, weiße Ledersofas und Sessel –, kurzum ein Ambiente, das Sam zu der gemurmelten Bemerkung veranlasste: »Hoffen wir, dass niemand hier drinnen seekrank wird. Wer sich in diesem Raum übergeben muss, hat schlechte Karten.«
Die Besichtigung endete mit einer Pilgertour zum Hubschrauber, um den die Besucher einen respektvollen Bogen machten, während Bob eine ganze Litanei lebenswichtiger statistischer Daten anstimmte. Viersitzer, Standardreichweite, Geschwindigkeiten (sowohl Reise- als auch Höchstgeschwin digkeit), lautloses Triebwerk, leichtes Einparken und so weiter und so fort. Von der Informationsflut benommen und überfordert, ergriffen die Besucher schließlich die Flucht und steuerten den rettenden Hafen an.
Sam, der bemerkt hatte, dass Philippe hinter den anderen zurückgeblieben war, erkundigte sich, ob alles nach Wunsch verlaufen sei. Philippe hielt sein Handy hoch und grinste. »Damit könnte ich ein ganzes Fotoalbum füllen.«
Der Wind hatte aufgefrischt, erschwerte eine Unterhaltung. Sam betrachtete die Wellen und ließ das, was er gerade gesehen hatte, noch einmal vor seinem inneren Auge Revue passieren. Obwohl er sich aus Schiffen und Jachten nichts machte und kein Verständnis für den Wunsch aufbrachte, dafür ein Vermögen auszugeben, hatte der Besuch ihn veranlasst, noch einmal gründlich über den Mann nachzudenken, gegen den er sich im Wettbewerb behaupten musste. Trotz des zweifelhaften Geschmacks in puncto Inneneinrichtung war William Wapping ganz offensichtlich steinreich. Und steinreich wurde man nicht, weil man Stroh im Kopf hatte, so viel stand fest.
Die Gesellschaft, die am besten Tisch auf der Terrasse des Peron saß, hatte sich auf ein ausgedehntes Mittagsmahl eingerichtet. Falls irgendjemand auf die Idee gekommen wäre, einen Blick aufs Meer zu werfen, hätte er möglicherweise Jean-Claudes Schnellboot entdeckt, das in den Hafen einfuhr, aber alle waren damit beschäftigt, die
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