Der Coup von Marseille
bestellt, ohne genau zu wissen, was sich hinter diesem Teil verbarg, und war angenehm überrascht, als sich das Ganze als Lamm mit einer leichten Kruste aus Oliven, Kapern, Anchovis und Kräutern entpuppte. Der Käse war im Anrollen, und den krönenden Abschluss würde ein kleiner Klecks Pudding bilden. Und da sie sich auf der Terrasse, sprich im Freien befanden, konnte er die Mahlzeit mit einer Zigarre beenden. Von einem ungewohnten Gefühl des Wohlwollens übermannt, wandte er seine Aufmerksamkeit Monsieur Fauré zu, um zu sehen, wie es seinem Ehrengast ging.
Bisher offenbar sehr gut. Fauré sprach Englisch und schien durchaus empfänglich für Wappings erste verhaltene Annäherungsversuche zu sein. Zu diesen gehörte unter anderem das Angebot, auf der Floating Pound eine kleine Spritztour entlang der Küste zu unternehmen, gerne auch in Begleitung von Madame Fauré, sofern erwünscht. Wohl kaum, dachte Wapping, als er das Ausmaß der Aufmerksamkeit wahrnahm, das Fauré Annabel Sykes widmete. Sie hatte beschlossen, in ihrem besten Französisch das Wort an ihn zu richten – erworben in einem Internat für höhere Töchter in Lausanne, wo sie den letzten Schliff erhalten hatte. Er schien sichtlich gebannt, nicht nur von Annabel und ihrem Décolleté, sondern auch von der gleichermaßen üppigen Menge Rosé, die er sich einverleibt hatte.
Da Fauré mit Beschlag belegt und guter Dinge war, konnte Lord Wapping entspannen, während er seinen nächsten Schach zug überdachte. Patrimonio zählte bereits das Geld, das ihm sein Anteil an den Baukosten einbringen würde. Fauré machte einen überaus kooperativen Eindruck. Blieben nur noch die anderen fünf Ausschussmitglieder, die er in dieser Woche bei der Cocktailparty in Augenschein nehmen musste. Wenn er zwei von ihnen auf seine Seite ziehen könnte, hatte er bereits die Mehrheit gewonnen. Er würde Patrimonio bitten, für ihn die anderen Wackelkandidaten ausfindig zu machen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, winkte den Sommelier herbei und erkundigte sich nach einem guten Wein, der zum Käse passte. Das hatte er sich verdient.
Elena schloss die Augen und gab sich dem tiefen und entspannenden Druck hin, knapp vor der Schmerzgrenze, den die Finger der Masseurin ausübten, als sie sich an der Wirbelsäule nach unten vorarbeiteten. Dies war der Vorschlag von Mimi, gewesen Philipps rothaariger Freundin – als willkommener Ausklang hektischer Stunden, die sie mit Besichtigungen, Einkaufen und Mittagessen verbracht hatten. Sie hatte für Elena und sich selbst einen Nachmittag der Muße im hoch über dem Meer gelegenen Wellness tempel des Château Ber ger an der Corniche Président Kennedy gebucht. Warme Schlammwickel, eine wahr e Verjüngungskur für die Haut, heißes Meerwasser aus einer Regenbogendusche mit winzigen Düsen und eine Reflexzonenmassage, die vierzig Minuten dauerte und mit einer Spezialität des Hauses abschloss, der massage énergétique . Himmlisch.
Der Tag hatte in einem Straßencafé am Vieux Port begonnen. Wie üblich, wenn sich Frauen erstmals begegnen, hatten sie einander einer gründlichen, wenngleich verstohlenen Musterung von Kopf bis Fuß unterzogen, die Schuhe, Handtasche, Sonnenbrille, Haare und Make-up einschloss. Beide waren zufrieden, dass sich die andere Mühe mit ihrem äußeren Erscheinungsbild gegeben hatte – Elena in einem ärmellosen blasslila Leinenkleid, die wesentlich kleinere Mimi in hautengen schwarzen Hosen und einer adretten weißen Jacke.
Beim Kaffee hatten sie Pläne für den Vormittag geschmiedet und mit der Besichtigung einer der Touristenattraktionen von Marseille begonnen, dem fantastischen Ausblick auf die Stadt und das Meer, mit dem die Mühen derer belohnt werden, die den steilen Aufstieg zur Basilika Notre-Dame de la Garde auf sich nehmen. Ein weiterer guter Grund, den beschwerlichen Weg zum Gotteshaus auf sich zu nehmen, war, dass die Basilika über eine bemerkenswerte Sammlung handbemalter Votivtafeln von dankbaren Seefahrern und Fischern verfügte, denen es gelungen war, den Unbilden und Katastrophen des Meeres zu entgehen. Wie Mimi erklärte, trugen die Bilder von sinkenden Schiffen, ertrinkenden Seeleuten, windgepeitschten Wellen und Wirbelstürmen wenig dazu bei, Sehnsucht nach einem Leben auf den Meereswogen zu wecken, und so bahnten sich die beiden dank der wiedererwachten Liebe zum trockenen Land entschlossen ihren Weg in die relative Sicherheit der Boutiquen in der Rue Paradis und der Rue de
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