Der Coup von Marseille
Proportionen des Raumes, die kuppelförmige Decke, das sanfte Abendlicht, das durch die hohen Fenster drang – und seufzte. »Das ist die reinste Magie. Warum werden solche Bauwerke heute nicht mehr errichtet?«
Mit Champagner ausgerüstet, machten sie die Runde und mischten sich unter das Volk. Sam entdeckte Patrimonios Sekretärin und bat sie, Elena und ihn den Ausschussmitgliedern vorzustellen, die eine gedankenverlorene Gruppe vor den drei Projektmodellen bildeten. Man machte sich bekannt, Elena erntete verstohlene Bewunderung, und Sam beantwortete die nicht allzu bohrenden Fragen von Monsieur Fauré, der das ranghöchste Mitglied zu sein schien. Sam wurde einen Moment lang von Philippe abgelenkt, der inzwischen aufgetaucht war. An seinem Handy klebend, bahnte er sich den Weg durch die Menge. Wie vorher verabredet, übersahen sie sich geflissentlich.
Monsieur Fauré wies mit einem Kopfnicken zur Bar. »Haben Sie schon Ihren Mitbewerber, Lord Wapping, kennengelernt? Ein sehr geselliger Mensch. Kommen Sie, ich mache Sie miteinander bekannt.«
Sams erster Eindruck von Wapping überraschte ihn. Er hatte ein konventionelles Produkt der Wall Street, der Lon doner City und aller anderen führenden Finanzplätze der Welt erwartet: seriös bis ins Mark, insgeheim arrogant wie alle reichen Männer und sterbenslangweilig. Stattdessen fiel sein Blick auf ein feistes Gesicht mit jovialer Miene, das durchaus wohlwollend gewirkt hätte, wären da nicht die listigen, be rechnenden Augen gewesen, die sich nun durchdringend und unverwandt auf Sam richteten.
»Sie sind also der Yankee, der einen Wohnblock hochziehen will«, begrüßte Wapping ihn mit einem Grinsen.
»Sie sagen es. Und das hier ist Elena Morales.« Danach deutete er auf die Modelle, die in einer Reihe aufgestellt waren. »Und das da ist mein Wohnblock.«
»Na dann, viel Glück, Kumpel. Möge der Beste gewinnen, solange ich das bin.« Er schlug Sam auf die Schulter. »Nichts für ungut, war nur ein Scherz. Bevor ich es vergesse, das hier ist Annabel.«
Als Annabel Sam anschaute, weiteten sich ihre Augen – ein uralter Trick, der sich bei einer femme fatale großer Beliebtheit erfreute –, als hätte sie nie zuvor in ihrem Leben einen so attraktiven Mann zu Gesicht bekommen. »Man hat es Ihnen vermutlich schon tausend Mal gesagt, aber ich muss es trotzdem sagen. Sie sehen aus wie George Clooney in Blond.«
Elena unterdrückte ein Schnauben, als sie Annabel kurz zunickte.
Wapping stellte sie den anderen Mitgliedern seiner Entourage vor. »Dieser Herumtreiber hier ist Mikey Simmons. Hat nichts mit dem Projekt zu tun. Er macht in Motoren, Luxusklasse, versteht sich. Exklusive Vertriebsrechte in Saudi-Ara bien und Dubai. Astons, Ferraris, Rolls, was auch immer. Und das hier« – Wapping wandte sich der statuenhaften jungen Dame zu –, »das ist Raisa aus Moskau.« Da er das Gefühl hatte, seinen gesellschaftlichen Verpflichtungen somit Genüge getan zu haben, warf Wapping einen Blick auf sein Glas, stellte fest, dass es leer war, und winkte den Barkeeper herbei. »Oje, Jean-Claude! Ich könnte mir locker noch ein Glas Champagner hinter die Binde kippen.«
Sam entschuldigte sich und lotste Elena von der Bar weg. »Jetzt hast du die Konkurrenz gesehen; was hältst du davon?«, fragte er.
»Mir ist klar, warum es heißt, dass Lord Wapping immer seinen Willen durchsetzt. Er führt sich auf wie ein Bulldozer auf zwei Beinen. Und was die Blondine angeht, sie ist ein echtes Aushängeschild.«
»Soll das ein Kompliment sein?«
»Mitnichten.«
Sie waren am Rande der Menge abgekommen, als Sams Blick auf ein Paar fiel, dass sich den Alkoven mit einer der Statuen teilte: Jérôme Patrimonio und Caroline Dumas, in eine Unterhaltung vertieft, und es überraschte Sam nicht, dass die »Eiskönigin« in dieser Gesellschaft sichtbar aufgetaut war. Sie blickte zu ihm auf, wenn er sprach, legte ihm die Hand auf den Arm, wenn sie antwortete, und ließ alle Anzeichen einer Frau erkennen, die von den Worten ihres Begleiters fasziniert war. Patrimonio genoss fraglos die offenkundige Aufmerksamkeit, die ihm von einer hübschen Pariserin zuteilwurde, und reagierte mit ebenso offenkundiger Verärgerung, als das angeregte Gespräch durch die Ankunft einer dritten Person unterbrochen wurde.
Der Störenfried war Philippe. Selbst aus der Entfernung konnten Sam und Elena sehen, dass die Begegnung alles andere als freundschaftlich war. Anklagend wedelte Philippe mit erhobenem Finger
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