Der Coup von Marseille
ich habe ihn mit dem üblichen Gesäusel von Pressefreiheit konfrontiert und dass unser Verleger vermutlich bereit sei, einer Gegendarstellung den entsprechenden Raum zuzugestehen. Er schien ganz zufrieden mit dieser Lösung zu sein, nickte und lächelte, und plötzlich zog er einen Umschlag heraus. Einen dicken Umschlag.« Philippe hielt inne, um einen Schluck zu trinken.
»›Gute Idee‹, meinte dieser kleine Klugscheißer, ›eine Gegendarstellung. Und Sie sind genau der Richtige, um sie zu verfassen. Vielleicht brauchen Sie dazu einen kleinen Ansporn.‹ Dann schob er mir den Umschlag zu. ›Er enthält zehntausend Euro‹, sagte er. ›Und da, wo das Geld herkommt, ist noch mehr zu holen. Ein netter kleiner Nebenverdienst, und das alles für ein paar wohlwollende Artikel. Das bleibt natürlich unter uns, Sie verstehen. Das geht niemanden etwas an.‹«
Sam schmunzelte; offenbar bewegten sich Lord Wappings Gedanken in sehr engen, vorhersehbaren Bahnen.
»Angenommen, du würdest die Polizei einschalten?«
Philippe schüttelte den Kopf. »Und ihnen was erzählen – dass jemand versucht hat, mir zehntausend Euro aufzuschwatzen? Die würden mir raten, mich schleunigst zu verziehen.«
»Wie hast du reagiert?«
»Ich habe ihm gesagt, dass ich nicht käuflich bin. Er meinte, ich solle endlich erwachsen werden. In Frankreich sei jeder käuflich. Da ist mir die Hutschnur geplatzt. Ich habe ihm geraten, seinen Umschlag zu nehmen und ihn sich sonst wohin zu stecken. Das habe ich natürlich auf Französisch gesagt, sodass er vermutlich kein Wort verstanden hat, doch mein Tonfall war bestimmt unmissverständlich. Und dann bin ich abgedampft. Was soll ich jetzt machen?«
»Wenn du mich fragst: gar nichts. Du hast keine Zeugen, also steht dein Wort gegen seins. Und wenn er für Wapping arbeitet, kannst du sicher sein, dass irgendein Winkeladvokat aus der Versenkung auftaucht, der Stein und Bein schwört, dass ein solches Treffen nie stattgefunden hat.« Sam schüttelte den Kopf. »Nein. Vergiss das Ganze. Ich denke, er wird es nicht riskieren, einen zweiten Bestechungsversuch zu unternehmen, weil er befürchten muss, dass du mit einem Aufnahmegerät in der Tasche aufkreuzt. Aber Kopf hoch, ich habe da nämlich etwas, das dich aufheitern könnte: einen kleinen Exklusivbericht. Die Einzelheiten muss ich noch austüfteln – trotzdem weihe ich dich schon mal in die Idee ein.«
Ray Prendergast fummelte nervös an dem Umschlag herum, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag, während er darauf wartete, dass Lord Wapping sein Telefonat beendete. Seine Lordschaft hatte wenig für Misserfolge übrig.
Kaum war das Gespräch vorüber, bohrte William Wapping auch schon seinen fleischigen Zeigefinger in den Umschlag, der immer noch mit Geldscheinen gefüllt war. »Er hat also nicht angebissen?«
»Ich fürchte nein, Billy«, sagte Ray zerknirscht.
»Was hat er gesagt?«
»Nun, die Schlussworte waren in Französisch, deshalb habe ich nicht alles verstanden. Grundsätzlich meinte er wohl, ich solle mich verpissen.«
»Wie kann man nur so dumm sein.« Wapping seufzte, als sei er tief enttäuscht über das unkluge Verhalten seines besten Freundes. »Das lässt uns nicht viel Spielraum, oder? Vielleicht ist es besser, wenn du ein Wörtchen mit Brian und Dave redest. Sag ihnen, sie sollen ihm eine Lektion erteilen. Und Ray?« Wapping senkte die Stimme. »Bitte keine finale Lösung. Du weißt, was ich meine? Wir wollen keine unnötigen Komplikationen. Sag den Jungs, sie sollen dafür sorgen, dass es wie ein Unfall aussieht.«
Es gibt bestimmte Männer, deren äußeres Erscheinungsbild auf Anhieb Sympathie wecken, eine Gabe, die ihnen vermutlich in die Wiege gelegt wurde. Gaston Poirier gehörte zu ihnen: ein überdimensionaler Posaunenengel mit birnenförmigem Leib, pausbäckigem, rotwangigem Antlitz und lockigem grauem Haar. Seine braunen Augen blitzten, und sein Mund schien ständig zum Lachen bereit. Reboul hielt ihn für den besten Problemlöser in Marseille. Sam hatte ihn vom ersten Blick an in sein Herz geschlossen.
Sie saßen auf der Terrasse, eine Flasche Rosé zwischen ihnen. »Das letzte Mal, als ich in diesem Haus war, wohnte Francis noch hier«, sagte Gaston. »Damals wurden rauschende Feste gefeiert, kann ich Ihnen sagen – Frauen, Champagner, beides in Hülle und Fülle. Das waren noch Zeiten!« Er hob sein Glas. »Trinken wir auf sein neues Projekt. Erzählen Sie mir davon.«
Während Sam ihm die
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