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Der Coup von Marseille

Der Coup von Marseille

Titel: Der Coup von Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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brauche ich eine kleine Aufmunterung.«
    »So schlimm?«
    »Schlimmer. Das Abendessen war ein einziger endloser Monolog. Danach wollte der Vorstandsvorsitzende unbedingt ins Castel tanzen gehen. Sam, was ist nur mit diesen zu kurz geratenen Männern los?«
    »Was meinst du?«
    »Es ist mir vorher schon ein paarmal aufgefallen. Die sind wie Schlingpflanzen. Haben ihre Hände überall.«
    Das erinnerte Sam an die Geschichte, die man sich über Mickey Rooney erzählte, einen amerikanischen Schauspieler, der bekanntermaßen eine kleine Statur und eine Schwäche für große Frauen besaß. Er erzählte sie Elena. Rooney wurde bei einem Paris-Besuch einem der Bluebell Girls vorgestellt, zur damaligen Zeit eine Truppe von Revuetänzerinnen, die wegen ihrer Schönheit und klassischen Proportionen berühmt waren. Er war auf Anhieb hin und weg.
    »Sie sind sensationell«, sagte er zu dem Mädchen. »Ach Gott, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie gerne ich Liebe mit Ihnen machen würde.«
    Das Bluebell Girl blickte aus beachtlicher Höhe auf ihn herab (sie maß 1,83 Meter mit Absätzen). »Nun, falls es jemals dazu kommen sollte und ich es herausfinde, stecken Sie in ernsthaften Schwierigkeiten.«
    Elena lachte. »Danke, Sam. Das habe ich jetzt gebraucht. Zum Glück muss unser Klient morgen Nachmittag in Berlin sein. Wir haben am Vormittag noch eine kurze Besprechung, aber dann nichts wie weg. Kann es kaum erwarten.«

12. Kapitel
    P hilippe öffnete mühsam ein verquollenes Auge und zuckte zusammen. Er hatte keine Ahnung, wo er war. Alles war grell und weiß, und er blinzelte. Ein Schatten beugte sich über ihn.
    »Wie fühlen wir uns?« Das musste eine Krankenschwester sein, jetzt sah er ihre weiße Tracht. Ihre Stimme hatte den optimistisch forschen Unterton, den Krankenschwestern anschlagen, wenn sie sicher sein können, dass der Patient zumindest nicht im Verlauf ihrer Schicht das Zeitliche segnet.
    Philippe sann über die Frage nach. Er fühlte sich leicht unwirklich, doch zugleich behaglich, entspannt und schmerzfrei, beinahe euphorisch. Er schenkte der barmherzigen Samariterin ein Lächeln. »Wir fühlen uns prächtig.«
    »Das sind die Schmerzmittel. Sie hatten einen schweren Unfall, aber Glück im Unglück. Sie sind mit einem Laternenpfosten zusammengeprallt.«
    »Oh, das war sicher unbeabsichtigt. Darf ich fragen, was der Laternenpfahl mit mir angestellt hat?«
    »Nichts, er hat Sie davor bewahrt, über den Rand der Corniche hinauszuschliddern und im Abgrund zu landen. Sie haben mehrere gebrochene Rippen, etliche Platzwunden und ein blaues Auge davongetragen, das ist alles.«
    »Das ist alles?«
    »Es hätte wesentlich schlimmer kommen können; Mon sieur Davin. Trinken Sie das. Dr. Joel wird in ein paar Minuten nach Ihnen sehen. Auf dem Nachttisch neben Ihnen steht ein Telefon, falls Sie jemanden benachrichtigen möchten.«
    Philippe rief Mimi an, die in Tränen ausbrach, Mimi rief Elena an, und bis Dr. Joel gekommen und gegangen war, hatten sich die beiden mitsamt Sam an seinem Krankenbett eingefunden.
    »Mon pauvre garçon!« Mimi begrüßte Philippe mit einem Kuss auf die Nasenspitze. Ihre Phase der Rührung war außerordentlich kurz, sie schaltete sogleich auf den Kritische-Vorhaltungen-Modus um. »Was um Himmels willen ist passiert? Warst du …?« Sie ballte die Faust und führte den gestreckten Daumen zum Mund, eine klassische Geste der Franzosen, die in aller Kürze besagt, dass jemand zu heftig dem Alkohol zugesprochen hat.
    Philippe schüttelte vorsichtig den Kopf. »Ich habe keinen einzige Tropfen getrunken, ehrlich – nicht einmal ein Glas Rosé. Zwei Motorräder haben mich in den Schwitzkasten genommen, eins vorne, das andere hinten. Und dann, paf!, ein Tritt ins Knie, und schon flog ich in hohem Bogen vom Roller. Ich bin sicher, da waren Profis am Werk, aber weiß der Teufel, was das Ganze sollte. Ein Raubüberfall war das mit Sicherheit nicht, denn bei mir gibt es nichts zu holen; vielleicht haben sich die zwei nur einen kleinen Spaß erlaubt.«
    »Würdest du sie wiedererkennen?«
    Ein weiterer behutsamer Versuch, den Kopf zu schütteln. »Beim besten Willen nicht. Sie trugen Sturzhelme mit heruntergeklapptem Visier.«
    Sam runzelte die Stirn. Nach seiner Erfahrung verstanden Profis keinen Spaß. Diese beiden hatten es ernst gemeint und Philippe eine Lektion erteilen, ihn vielleicht sogar umbringen wollen. Aber warum? Wer hatte einen Vorteil davon, wenn der Journalist außer Gefecht gesetzt war? Es

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