Der Coup von Marseille
hier drinnen eine Party zu feiern?«
»Keine Sorge. Ich habe für Wachen gesorgt – zwei Muskelmänner, Jules und Jim, und zwei Rottweiler. Sie werden jede Nacht auf ihrem Posten sein.« Gaston führte sie zur gegenüberliegenden Seite des Zeltes. »Hier sollte meiner Meinung nach die Bar stehen. Sehen Sie? Wenn Sie sich umdrehen und dort hinten durch den Eingang schauen, können Sie den Sonnenuntergang beobachten, während Sie Champagner schlürfen. Was könnte ansprechender sein?«
Während der von Gaston geführten Besichtigungstour entspannte sich Sam. Sämtliche Details waren berücksichtigt worden. Für jede Kleinigkeit schien gesorgt – angefangen von der Größe der Bar über die Positionierung des Konferenztisches, der Stühle, Notizblöcke und Stifte bis zur Bereitstel lung des Stroms – alles war durchdacht und organisiert. Es gab sogar ein kleines, aber elegantes cabinet de toilette, das sich kaum sichtbar in geraumer Entfernung hinter dem Zelt verbarg.
Gaston winkte ab, als Sam ihm gratulierte. »C’est normal , mein Freund. Und nun muss ich Sie leider verlassen, auch wenn es mir das Herz bricht, Mademoiselle au revoir zu sagen. Ich bin mit meinem Freund, dem Bürgermeister, zu einer Geschäftsbesprechung beim Mittagessen verabredet.«
Zurück auf der Corniche blieben sie stehen, damit Elena ihre Schuhe ausziehen und den Sand ausschütteln konnte. »Was hältst du von unserem neuen Komplizen?«, fragte Sam.
»Gaston? Er ist süß. Ich habe Hunger. Wie weit ist es noch bis zum Restaurant?«
»Nur ein Stück die Straße entlang.«
Das Hotel Peron gehört zu den Etablissements, von denen man in kalten, dunklen Wintermonaten träumt. An einem felsigen Küstenabschnitt unterhalb der Corniche ein Stück erhöht über dem Meer gelegen, bietet es eine wundervolle Aussicht. Das urbane Gewirr der Kräne, Gebäude und Stromleitungen bleibt dem Auge des Betrachters verborgen, und der Blick kann sich ungetrübt entfalten, geht auf das glitzernde Meer hinaus, dessen Oberfläche sich von Zeit zu Zeit durch den Sog eines gelegentlich vorbeifahrenden kleinen Bootes kräuselt. In der Ferne ragt das Miniaturarchipel der Frioul-Inseln auf, graugrün während der Mittagszeit, mit purpurfarbener Tönung bei Sonnenuntergang. Und wenn man es schafft, sich von diesem Panorama loszureißen, ist der Blick in die Speisekarte des Restaurants nicht minder verlockend – fangfrische Fische jedweder Art von einem der besten Küchenchefs der Küste zubereitet.
Elena und Sam, die sich vorkamen, als hätten sie den festen Boden unter den Füßen gegen das Deck eines geräumigen, unbeweglichen Schiffes eingetauscht, folgten der Platzanweiserin zur Ecke der Terrasse. Der laute Schwall englischer Worte, der von einer großen Gästeschar ganz in ihrer Nähe zu ihnen herüberdrang, bekundete Lord Wappings Anwesenheit, der an seinem üblichen Tisch saß, umgeben von den üblichen Hofschranzen. Die Gruppe verstummte, als Sam und Elena vorübergingen. Sam nickte Wapping kurz zu, der das Nicken wohlwollend erwiderte und sich umdrehte, um sie mit boshaften Blicken zu verfolgen, bis sie ihren Tisch erreichten.
»Was für ein hübsches Mädchen, findest du nicht auch, Darling?«, sagte Annabel. »Obwohl vielleicht nicht ganz dein Typ – sie ist ein bisschen zu … ethnisch für dich, würde ich sagen, mit ihrer verdächtig dunklen Haut und dem Wust schwarzer Haare. Du ziehst uns englische Rosen vor, habe ich recht?« Wapping gab ein Knurren von sich, am anderen Ende des Tisches ertönte ein Lachen, und dann wurde die Unterhaltung wiederaufgenommen.
Nach dem ersten eisgekühlten Schluck Cassis wandten Sam und Elena ihre Aufmerksamkeit der Speisekarte zu, auf der es, wie Elena entdeckte, vor exotischen Namen nur so wimmelte, die sie in Los Angeles noch nie zu Gesicht bekommen hatte: pagre und rascasse, rouget und daurade . Dann blieb ihr Blick an der Véritable bouillabaisse de Marseille hängen, der legendären »goldenen Fischsuppe«.
»Hast du die schon mal probiert, Sam?«
»Als ich das letzte Mal in Marseille war, mit Philippe. Er ist süchtig nach Bouillabaisse – er hat mir während des gesamten Essens davon vorgeschwärmt. Sie ist gut. Ein bisschen reichhaltig, aber gut.«
»Reichhaltig – was genau enthält sie?«
»So gut wie alles, was im Mittelmeer schwimmt: Petersfisch, Meeraal, Drachenkopf, Knurrhahn und einiges mehr. Außerdem Tomaten, Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Safran, Olivenöl, Petersilie. Und dazu gibt es
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