Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Coup von Marseille

Der Coup von Marseille

Titel: Der Coup von Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
Vom Netzwerk:
war eine junge Französin in den Zwanzigern, Mademoiselle Silvestre, und es war auf Anhieb klar, warum Gaston sie in die engere Wahl gezogen hatte. Trotz des schwarzen Kostüms und Attachéköfferchens umgab sie mehr als ein Hauch Schlafzimmer, ein Eindruck, der noch unterstrichen wurde von ihrem Parfum, der Höhe ihrer Absätze und der ausgefeilten Art, den Rock zurechtzurücken und die Beine übereinanderzuschlagen, nachdem sie Platz genommen hatte.
    Sam schluckte und begann seine Liste mit den Fragen durchzugehen. Ja, sie sei zweisprachig, ja, sie sei am Abend der Präsentation verfügbar. Als er wissen wollte, woher ihre guten Englischkenntnisse stammten, lächelte sie.
    »Vielleicht möchten Sie ja einen Blick auf meinen Lebenslauf werfen«, sagte sie, was weniger nach einer Frage als vielmehr nach einer Aufforderung klang, sich persönlich von ihren vielfältigen Talenten zu überzeugen. Sie holte die Unterlagen aus ihrem Attachéköfferchen und beugte sich vor, um sie Sam zu überreichen, wobei sie ihm eine Kostprobe ihres Parfums, das seine Sinne benebelte, und Einblick in ein Dekolleté gewährte, das alles andere als geschäftsmäßig war.
    »Sieht gut aus«, sagte er. »Ich werde mich in Ruhe damit befassen und Ihnen Bescheid geben.«
    Elena kehrte zurück, nachdem sie die Kandidatin höchstpersönlich hinausbegleitet hatte. »Das ist genau die Sorte Mädchen, die sich einem Mann auf den Schoß setzen, um ein Diktat aufzunehmen«, erklärte sie. Ihre Stimme klang etwas höher und lauter als gewöhnlich.
    »Woher willst du das denn wissen?«
    Elena rümpfte die Nase. »Frauen wissen so etwas eben. Kandidatin Nummer zwei ist soeben gekommen. Sie sieht aus, als wäre sie wesentlich besser geeignet.«
    Miss Perkins, die sich durch eine majestätische Haltung und ein gewisses Alter auszeichnete, hatte zwanzig Jahre lang in der Verbindungsstelle des britischen Konsulats in Marseille gearbeitet, bevor dieses geschlossen wurde. Sie trug eine gestärkte weiße Bluse, die am Hals mit einer Kameenbrosche geschlossen war, und dazu einen Rock und Schuhe, die man als vernünftig beschreiben würde. Sie hatte das Vorstellungsgespräch von Anfang an fest im Griff.
    »Ziehen Sie es vor, die Unterhaltung in Englisch oder Französisch zu führen?«, fragte sie. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie sich wohler fühlen, wenn wir Englisch reden.«
    »Sie haben recht. Dann machen wir das. Ich nehme an, Gaston hat Ihnen erklärt, was wir brauchen? Der Stadtplanungsausschuss spricht alles andere als fließend Englisch, und ich möchte eine Präsentation abliefern, die so klar und professionell wie möglich ist. Das wird sich unbezweifelt auf die Entscheidung auswirken.«
    Miss Perkins rosiges Gesicht nahm eine schmerzliche Miene an. »Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich Sie berichtige, aber es heißt nicht unbezweifelt, sondern unzweifelhaft. Ich fürchte, das ist einer der vielen unseligen Fehlgriffe unserer amerikanischen Freunde, genau wie der beharrlich falsche Gebrauch des Wörtchens ›hoffentlich‹.« Ein gewinnendes Lächeln nahm ihren Worten den Stachel. »Und nun, Mr Levitt, brauche ich den Text Ihrer Präsentation, damit ich eine schriftliche Übersetzung anfertigen kann, die wir den Mitgliedern des Ausschusses zukommen lassen. Das ist doch hoffentlich möglich?«
    »Selbstverständlich, Miss Perkins.«
    Sie hob ihre dralle Hand. »Bitte nennen Sie mich Daphne, mein Lieber. Schließlich werden wir ja zusammen arbeiten.«
    Dieses Mal gesellte sich Sam zu Elena, um Miss Perkins hin auszubegleiten, sich zu überzeugen, dass sie unbeschadet ihre Sardinenbüchse von einem Auto bestieg, einen klassischen 2CV, und diesem nachzuschauen, wie er klappernd durch das Tor verschwand.
    »Du hattest recht«, sagte Sam. »Sie ist wesentlich besser geeignet. Ich hatte nicht die geringste Chance. Sie hat einfach die Führung übernommen, wogegen ich im Prinzip nichts einzuwenden habe. Du weißt ja, wie sehr ich starke Frauen verehre.«
    Elena verdrehte die Augen, schwieg jedoch.
    Sie gingen ins Haus zurück, wo Philippe seine Rippen festhielt und auf und ab marschierte, nachdem er mit seinem Handy telefoniert hatte. Als er sich zu ihnen umwandte, sahen sie, dass sein blaues Auge inzwischen eine marmorierte gelbliche Färbung annahm. »Das war Étienne«, sagte er. »Mein Kontakt im Polizeipräsidium. Er hat mir einen Gefallen getan und die Einträge der letzten Tage im Dienstbuch durchforstet. Zwei Motorräder wurden am Abend, als man

Weitere Kostenlose Bücher