Der Coup von Marseille
fing gerade an, seine Sorgen zu vergessen und sich zu amüsieren, als das Läuten seines Handys aus den inneren Stoffschichten des Kaftans ertönte.
Es war Patrimonio, und zwar ein hochgradig erregter Patrimonio, mit beunruhigenden Neuigkeiten. Nach der Präsentation am Nachmittag hatte er sich kurz mit den Mitgliedern seines Ausschusses in Verbindung gesetzt. Sie waren beinahe einhellig begeistert von dem Vorschlag des Amerikaners Levitt, und Patrimonio hatte das vage Gefühl, dass einige ihre Entscheidung bereits getroffen hatten.
»Scheiße!« Wappings Gäste erstarrten mitten in ihrem Klatsch und Tratsch, als sie dieses Wort in übertriebener Lautstärke vernehmen mussten. Wapping begab sich schleunigst außer Hörweite. »Sie haben doch behauptet, Sie hätten sie in der Tasche?«
»Ihre Präsentation steht immer noch aus, vergessen Sie das nicht. Und wenn Sie etwas Besonderes bieten könnten …«
Wappings Angebote der besonderen Art beschränkten sich gewöhnlich auf Bestechung oder Nötigung, doch er sah ein, dass die Anwendung roher Gewalt bei allen sieben Aus schussmitgliedern angesichts der Kürze der Zeit jeder realistischen Grundlage entbehrte. »Was würde eine Sinnesänderung kosten?«
Einen Moment lang herrschte Schweigen, während Patrimonio die Möglichkeit von Schmiergeldern en gros überdachte. »Das ist eine Sache, die Fingerspitzengefühl erfordert«, sagte er schließlich. »Selbst wenn einige Ausschussmitglieder sich darauf einlassen würden – wenn das jemals ruchbar würde und der Bürgermeister Wind davon bekäme … Nein, ich denke, auf diesen Versuch sollten wir es gar nicht erst ankommen lassen.«
»Eine tolle Hilfe sind Sie mir! Benutzen Sie ihren Kopf, Mann – es muss doch etwas geben, um ihn aus dem Rennen zu werfen.«
Patrimonio seufzte. »Falls der Amerikaner überredet werden könnte, sein Angebot zurückzuziehen, befänden wir uns natürlich in einer wesentlich stärkeren Position.«
Wapping überließ seine Gäste ihren eigenen müßigen Vergnügungen und suchte sich ein ruhiges Plätzchen auf dem Oberdeck. Er musste nachdenken.
Reboul hörte mit beträchtlicher Zufriedenheit zu, als Sam ihm den Ablauf der Präsentation schilderte. »Das war alles, was Patrimonio von sich gegeben hat, diese unsinnige Bemerkung über den Mangel an Grundstücken? Keine Unterbrechungen? Keine Kommentare, während Sie die Einzelheiten geschildert haben? Nun, das klingt, als hätte es gar nicht besser laufen können. Gratuliere, mein Freund, aber noch eine kurze Warnung: Patrimonio und Wapping – das ist ein gefährliches Gespann, das nicht kampflos aufgeben wird. Bleiben Sie wachsam. Doch genug damit. Sie müssen diesen erfolgreichen Nachmittag unbedingt feiern und die entzückende Mademoiselle Elena zum Abendessen ausführen.«
Sie übertrugen Mimi die Aufgabe, sich um Philippe zu kümmern, und machten sich, seinem Rat folgend, auf den Weg ins Chez Marco, ein Bistro hinter dem Vieux Port, das ein wenig abseits lag. Am Eingang blieben sie stehen, um einen Blick auf die Speisekarte zu werfen, obwohl sie sich die Mühe hätten sparen können. Bei Marco gab es nur steack mit frites oder steack ohne frites, plus Salat, wahlweise. Das war alles. Dennoch war fast jeder Tisch besetzt, das Ambiente lebhaft und angenehm, und der Kellner verliebte sich auf Anhieb in sie, als ihm Sams Akzent zu Ohren kam. Er betete die Amerikaner an, wie er gestand: Er hatte drei Monate in einem Restaurant im Herzen von New York gearbeitet, wo ihn die Großzügigkeit der Trinkgelder mit ehrfüchtigem Staunen erfüllt, ja geradezu umgehauen hatte. Époustouflé! Er nahm ihre Bestellung auf und brachte ihnen eine Karaffe Rotwein.
Der Wein war weich, vollmundig und erstaunlich gut. Die Steaks waren saftig und perfekt zubereitet, die Pommes Frites ein Gaumenschmaus für den Kenner. Doch die Krönung des Ganzen war der Salat, wie Elena fand. »Ein gutes Restaurant erkennt man an seinem Dressing«, erklärte sie. »Und das hier ist köstlich. Sie haben genau die richtig Menge Balsamico-Essig verwendet.«
Sam wurde bewusst, dass sie dank Philippe auf ein kleines Juwel gestoßen waren, ein Restaurant mit einer begrenzten Auswahl an Gerichten, aber auf höchstem Niveau und zu altmodischen Preisen. Laut Philippe gab es in Frankreich früher überall solche einfachen kleinen Restaurants wie dieses; inzwischen waren sie dünn gesät, ausgerottet durch die Invasion der Fast-Food-Ketten. Doch Chez Marco schien sich in seiner
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