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Der Coup von Marseille

Der Coup von Marseille

Titel: Der Coup von Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mayle
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Marktnische ganz gut zu behaupten. Eine Traube von Gästen wartete an der abgenutzten Zinkbar, und sobald die Tische frei wurden, waren sie auch schon wieder besetzt. Der Spaßfaktor war groß, die Schar der Ober wendig und der Patron hinter der Bar, Marco höchstpersönlich, teilte mit einem breiten Grinsen, das Zahnlücken erkennen ließ, Pastis, Scherze und Beleidigungen aus.
    Elena benutzte ihr Brot, um den letzten Tropfen Dressing von ihrem Teller zu wischen. »Weißt du, was ich an diesem Lokal so toll finde, abgesehen vom Essen? Es ist authentisch. Niemand hat es nach allen Regeln der Kunst entworfen. Ein Dekorateur würde vermutlich einen Herzinfarkt erleiden, aber das Konzept hat sich bewährt. Glaubst du, dass es hier so etwas wie Desserts gibt?«
    Es gab. Auch hier beschränkte sich die Auswahl auf ein einziges Panna cotta, hausgemacht von Marcos italienischem Ehegespons und in einem dickwandigen Glas serviert, ein Traum in Weiß aus Schlagsahne und Vanille, der auf der Zunge zerging, unter einer halb flüssigen Karamellschicht verborgen. Elena kostete den ersten Löffel und seufzte vor Wonne. »Himmlisch.«

15. Kapitel
    D as Mittelmeer glich einer schwarzen Glasscheibe – flach und unbewegt unter einem wolkenlosen Himmel, der von einer Mondsichel erhellt wurde, als die Floating Pound langsam und vorsichtig den Hafen von Saint-Tropez verließ und nach Westen abdrehte mit Kurs auf Marseille.
    Lord Wapping hatte das Gefühl, es sei angeraten zurückzukehren, um die Verwirklichung einer Idee zu überwachen, die in seinem Kopf Gestalt anzunehmen begann. Er durfte keinen Augenblick mehr verlieren. Seine Gäste hatte er in aller Eile verabschiedet und die Gangway hinunterkomplimentiert, sehr zum Missfallen von Annabel, die keinerlei Bedürfnis verspürte, Saint-Tropez zu verlassen, das sie als ihre spirituelle Heimat während der Sommermonate betrachtete.
    »Ich bin völlig am Boden zerstört, Darling«, jammerte sie und bewies einmal mehr ihre Fähigkeit, gleichzeitig einen Flunsch zu ziehen und zu plappern. »Die Forsyths – du weißt schon, Fiona und Dickie – haben zum Abendessen einen Tisch im Byblos reserviert, und im Anschluss wollten sie tanzen gehen. Und nun das! Wie furchtbar, furchtbar langweilig. Müssen wir unbedingt zurück?«
    Wapping grunzte. »Da ist was im Busch.« Er fügte eine unschätzbar wertvolle Floskel hinzu in dem Wissen, dass sie jede weitere Diskussion schlagartig beendete. »Was Geschäftliches.« Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass in Annabels Kopf das Wort »Geschäft« ein Synonym für Cartier, Dior, Vuitton und all die anderen absolut unerlässlichen kleinen Dinge im Leben war, die nach einem erfolgreichen Geschäftsabschluss auf sie warteten. Und deshalb war für sie alles zweitrangig, wenn es ums Geschäft ging. Sie fügte sich klaglos, um sich in Gesellschaft von Tiny de Salis eine Dosis Mitleid und ein tröstliches Glas Champagner zu Gemüte zu führen, während Wapping sich in seiner luxuriösen Eignerkabine seinen einsamen Grübeleien hingab.
    Die Präsentation seines Projekts stand unmittelbar bevor. Ein erfolgreiches Ergebnis würde ihm die Banken vom Hals schaffen und seine Kriegskasse mit einigen Millionen füllen. Die Präsentation der Pariser, mit großem Elan von Patrimonio sabotiert, hatte den Ausschuss wenig beeindruckt. Blieb der Amerikaner, ein echtes Problem. Patrimonios Worte klangen noch in ihm nach: »Falls der Amerikaner überredet werden könnte, sein Angebot zurückzuziehen, würden wir uns natürlich in einer wesentlich stärkeren Position befinden.«
    Natürlich, was sonst! Aber wie? Er zog erneut seine beiden alten Lieblingsstrategien in Betracht, Bestechung und Gewalt, verwarf sie jedoch. Der Amerikaner war drauf und dran, mit seinem Projekt mehr Geld zu verdienen als das größte Schmiergeld, das er ihm bieten konnte, klamm wie er war. Und jede Form der Nötigung, die nicht mit Mord und Totschlag endete, versprach wenig Aussicht auf Erfolg. Wie auch immer, um wirkungsvoll und glaubhaft zu sein, musste der Rückzug aus freien Stücken erfolgen, von dem Amerikaner selbst ausgehen. Lord Wapping starrte durch das Bullauge, trank den letzten Schluck Cognac, Jahrgang 1936, und ließ seine Gedanken zu der noch unausgegorenen Idee zurückschweifen, die ihm nach Patrimonios Anruf gekommen war. Je mehr er darüber nachdachte, desto besser erschien sie ihm. Und bis zu dem Zeitpunkt, als er sich schließlich für den eisigen Empfang in der Kabine gerüstet

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