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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Strogoff verstand recht gut das Zögern seines Gefährten, obgleich er den Glauben an eine gewisse Vorbedeutung bezüglich des vor überlaufenden Hafen keineswegs theilte. Er suchte also Jenen zu beruhigen.
    »O, deshalb ist nichts zu fürchten, Freund, sagte er.
    – Für Dich nichts, für sie auch nicht, Väterchen, das weiß ich, erwiderte Nikolaus, wohl aber für mich!«
    Dann fuhr er fort:
    »Dem Schicksal kann man ja doch nicht entgehen!«
    Er trieb das Pferd wieder an.
    Trotz des unglücklichen Vorzeichens verlief der Tag doch ohne jede Störung.
    Am nächsten Tage, dem 6. September, gegen Mittag, hielt die Kibitka in Alsalewsk, das ebenso verlassen war, wie die ganze Umgebung.
    Hier fand Nadia auf der Schwelle eines Hauses zwei solche starke Messer, wie sie die sibirischen Jäger zu gebrauchen pflegen. Sie gab das eine Michael Strogoff, der es unter seinen Kleidern verbarg, und bewahrte selbst das andere.
    Die Kibitka befand sich nun noch fünfundsiebzig Werft von Nishny-Udinsk entfernt.
    Während dieser beiden Tage hatte Nikolaus niemals seine frühere gute Laune wiederfinden können. Das üble Vorzeichen hatte ihn tiefer berührt, als man hätte glauben sollen, und wenn er früher fast unaufhörlich plauderte, so verfiel er jetzt manchmal in so düsteres Schweigen, daß Nadia Mühe hatte, ihn zu erwecken. Sein ganzes Innere erschien wie umgewandelt, was bei einem Bewohner des Nordens weniger auffallen darf, von dessen abergläubischen Vorfahren die düstere hyperboräische Mythologie herrührt.
    Von Jekaterinenburg aus verläuft die Straße nach Irkutsk fast stets parallel dem 55. Breitengrade, hinter Viriusinsk aber wendet sie sich herab nach Südosten, so daß sie den 100. Meridian schief durchschneidet. Sie hält nun die kürzeste Linie nach der Hauptstadt Sibiriens ein und wendet sich über den letzten Auslauf der Sayanskberge. Dieses Gebirge stellt selbst nur einen Vorwall der großen Altaïkette dar, welche man hier schon in einer Entfernung von zweihundert Werft vor sich sieht.
    Die Kibitka eilte also auf dieser Straße hin. Ja, sie eilte. Man fühlte recht wohl, daß Nikolaus jetzt nicht mehr daran dachte, sein Pferd zu schonen, und daß er selbst Eile hatte, anzukommen. Ein wenig Fatalist trotz seiner Resignation, hielt er sich nirgends mehr für sicher, als in den Mauern von Irkutsk.
     

    Ein Hase lief vor der Kibitka über den Weg. (S. 310.)
     
    Gewiß hätten viele Russen dieselbe Empfindung gehabt, und nicht wenige von ihnen hätten wohl gar das Pferd gewendet, um die Stelle nicht zu überschreiten, an der ihnen ein Hase über den Weg gelaufen wart
    Den Beobachtungen nach, welche Jener machte und von deren Richtigkeit sich Nadia überzeugte, bevor sie dieselben Michael Strogoff mittheilte, schien es allerdings möglich, daß die Reihe der ihnen bevorstehenden Prüfungen noch immer nicht abgeschlossen sei.
     

    »Hier liegt ein Leichnam!« (S. 315.)
     
    Von Krasnojarsk bis hierher zeigte sich das Aussehen des Landes nicht sonderlich verändert, hier aber trugen die Wälder Spuren von Zerstörungen durch Feuer und Schwert, die Wiesen auf beiden Seiten der Straße waren verwüstet, und es lag auf der Hand, daß daselbst eine bedeutende Truppenmacht vorüber gekommen sein mußte.
    Dreißig Werft vor Nishny-Udinsk wurde die Spur einer erst neuerdings stattgefundenen Zerstörung immer deutlicher, die ihrer Natur nach nur von der Hand der Tartaren herrühren konnte.
    Hier waren in der That die Felder nicht allein von den Hufen der Pferde zertreten, die Wälder von der Axt des Holzhauers gefällt. Die in weiten Zwischenräumen längs der Straße verstreuten Häuser standen nicht nur leer, nein, zum Theil sah man sie verheert, zum Theil durch Feuer zerstört. Die Wände verriethen noch durch ihre Vertiefungen das Anschlagen von Kugeln.
    Michael Strogoff’s Beunruhigung kann man sich leicht vorstellen. Es schwand ihm jeder Zweifel, daß ein Tartarencorps vor nicht langer Zeit auf dieser Straße gehaust hatte, und doch konnten das unmöglich Soldaten des Emirs gewesen sein, denn sie hätten ihn, wenn sie den Wagen einholten, ganz bestimmt treffen müssen. Aber wer sollten diese neuen Eindringlinge sein, auf welchem Wege durch die Steppe waren sie bis zur Hauptstraße nach Irkutsk vorgedrungen? Welchen neuen Feinden ging der Courier des Czaren noch entgegen?
    Michael Strogoff theilte seine Befürchtungen weder Nadia, noch Nikolaus mit, um diese nicht vor der Zeit oder vielleicht überhaupt unnöthig

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