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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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verlassen zu können. Bei der jetzigen Lage der Dinge fühlten die meisten Fremden kein besonderes Verlangen, sich nach Sibirien hinein zu begeben.
    Unter eben diesen Umständen gelang es Alcide Jolivet und Harry Blount natürlich leicht, ihren Halbteleg durch einen completen Teleg zu ersetzen. Was Michael Strogoff betrifft, so gehörte der Tarantaß ja ihm an; letzterer hatte durch die Ueberschreitung der Uralkette auch nicht sonderlich gelitten, und es bedurfte nur des Vorspanns dreier flotter Pferde, um ihn schnell auf der Straße nach Irkutsk weiter zu befördern.
    Bis Tiumen und selbst bis Novo-Zaimskoe verlief diese Straße noch sehr hügelig, denn sie wand sich bis dahin über die launenhaften Bodenerhebungen, welche die ersten Stufenwellen der Uralkette bilden. Jenseit der Etappe Novo-Zaimskoe aber begann die grenzenlose Steppe, die sich bis in die Nähe von Krasnojarsk erstreckt, d.h. über einen Raum von 1700 Werft (= 1815 Kilom.) Durchmesser.
    Nach Ischim wollten sich die beiden Berichterstatter, wie wir es im Vorigen erfahren haben, zunächst begeben; diese Stadt liegt 630 Werft von Jekaterinenburg entfernt. Dort gedachten sie sich näher über den Verlauf der Ereignisse zu unterrichten, und beabsichtigten von hier aus nach den im Aufstand begriffenen Gegenden weiter zu ziehen, getrennt oder vereint, je nachdem ihr Jägerinstinct sie auf die eine oder die andere Fährte leiten würde.
    Dieselbe Straße von Jekaterinenburg nach Ischim, – die sich auch nach Irkutsk fortsetzt, war aber auch diejenige, welche Michael Strogoff unbedingt benutzen mußte. Da er jedoch nicht dem Einsammeln von Tagesneuigkeiten nachging und das von den Rebellen besetzte Land eher zu vermeiden als aufzusuchen alle Ursache hatte, so war er für seinen Theil fest entschlossen, nirgends unnöthig eine Stunde zu verweilen.
    »Meine Herren, begann er also zu seinen neuen Begleitern, es wird mir sehr angenehm sein, einen Theil der bevorstehenden Reise in Ihrer Gesellschaft zurückzulegen, doch muß ich Sie im Voraus darauf aufmerksam machen, daß ich die größte Eile habe, in Omsk anzukommen, denn meine Schwester und ich wollen dort unsere Mutter treffen. Wer weiß, ob es uns überhaupt möglich werden wird, diese Stadt zu erreichen, bevor sie den Tartaren in die Hände fällt! Ich werde mich also auf den Relais nie längere Zeit aufhalten, als das Umspannen der Pferde erfordert, und werde Tag und Nacht reisen.
    – Wir denken vorläufig nicht anders zu verfahren, bemerkte Harry Blount.
    – Nun gut, erwiderte Michael Strogoff, so verlieren Sie auch keinen Augenblick. Miethen oder kaufen Sie einen Wagen, der ….
    – Der so freundlich ist, fügte Alcide Jolivet hinzu, mit wohl verbundenem Vorder-und Hintertheil bei der nächsten Station anzukommen.«
    Eine halbe Stunde später hatte der rührige Franzose denn auch ohne besondere Mühe einen Tarantaß aufgetrieben, der dem Michael Strogoff’s ziemlich ähnlich war und in welchem er mit seinem Begleiter sich sofort bequem einrichtete.
    Michael Strogoff und Nadia nahmen ihre Plätze im Tarantaß ebenfalls wieder ein, und zu Mittag verließen beide Fuhrwerke zusammen Jekaterinenburg.
    Nadia war endlich in Sibirien, auf jenem langen, weiten Wege, der nach Irkutsk führt! Welcher Art mochten die Gedanken der jungen Liefländerin da wohl sein? Drei hurtige Rosse zogen sie durch dieses Land der Verbannten, in dem ihr Vater, vielleicht lange und so unendlich weit von der geliebten Heimat zu leben verurtheilt war! Aber sie sah die unendlichen Steppen sich kaum vor ihrem Auge entrollen, jene Steppen, die sie beinahe selbst nicht einmal hätte betreten dürfen; ihr Blick schweifte hinaus über den entfernten Horizont, hinter dem sie das Gesicht des Verbannten suchte. Sie beobachtete nichts von der Landschaft, die sie mit einer Schnelligkeit von sechzehn Werst die Stunde durchflog, nichts von den Gegenden des westlichen Sibiriens, die sich von dem des östlichen so merklich unterscheiden. Hier begegnet man nur sehr selten angebauten Feldern, einem, mindest auf der Oberfläche, sehr mageren Boden, denn in seinem Innern birgt er neben einem Ueberfluß von Eisen auch viel Kupfer, Gold und Platin. Deshalb sieht man wiederholt wohl hüttengewerbliche Anlagen, aber fast nirgends landwirthschaftliche Ansiedelungen Woher sollte man auch die nöthigen Arme nehmen, die Erde zu pflügen, die Felder zu besäen, die Ernten einzuholen, wenn es einträglicher ist, die Eingeweide der Erde mit Spitzhaue und

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