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Der Courier des Czar

Der Courier des Czar

Titel: Der Courier des Czar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Schlägel zu durchwühlen? Hier hat der Landbauer dem Bergmann den Platz geräumt. Die Hacke trifft man überall, den Spaten nirgends.
    Manchmal lösten sich Nadia’s Gedanken indeß doch von den entlegenen Provinzen am Baikalsee los und richteten sich mit Interesse auf ihre gegenwärtige Lage. Das Bild ihres Vaters verwischte sich ein wenig und sie sah wieder ihren edelmüthigen Reisegefährten zuerst auf der Eisenbahn von Wladimir, wo sie die Vorsehung zum ersten Male mit ihm zusammengeführt hatte. Sie erinnerte sich seiner Aufmerksamkeit während der Fahrt, seines Erscheinens auf dem Polizeiamte von Nishny-Nowgorod, der wohlthuenden Einfachheit, mit der er sie mit der Bezeichnung Schwester anredete, seiner Sorgfalt für sie während der Fahrt auf der Wolga, endlich alles dessen, was er in der schrecklichen Gewitternacht im Ural gethan hatte, um mit Gefahr seines Lebens das ihrige zu retten!
    Nadia dachte also an Michael Strogoff. Sie dankte Gott dafür, daß er ihr gerade diesen wachsamen Beschützer, diesen edelmüthigen und verschwiegenen Freund zugeführt hatte. Sie fühlte sich neben ihm, unter seinem Schutze vollkommen in Sicherheit. Ein wirklicher Bruder hätte nicht besser an ihr handeln können. Sie fürchtete jetzt kein Hinderniß mehr; sie war überzeugt, ihr Endziel zu erreichen.
    Michael Strogoff selbst sprach nur wenig und gab sich vielmehr seinen Gedanken hin. Er dankte seinerseits Gott, daß er ihm durch diese Begegnung mit Nadia erstens ein Mittel gegeben habe, seine Individualität gegen Entdeckung besser zu sichern, und dann auch eine Gelegenheit, ein gutes Werk zu thun. Die ruhige Unerschrockenheit des jungen Mädchens erweckte die
     

    Der rührige Franzose hatte einen Tarantaß aufgetrieben. (S. 134.)
     
    Sympathie seines muthigen Herzens. War sie nicht in der That seine Schwester? Er empfand für seine schöne heroische Begleiterin ebenso viel Hochachtung als Zuneigung. Er fühlte es, daß in ihr eines jener reinen und seltenen Herzen pulsire, auf welche man in jedem Fall zählen kann.
    Seitdem er indeß den Boden Sibiriens durchzog, begannen für Michael Strogoff erst die eigentlichen Schwierigkeiten. Wenn die beiden Journalisten sich nicht etwa täuschten, wenn Iwan Ogareff wirklich die Grenze
     

    Am 22. Juli langten die beiden Fuhrwerke an. (S. 140.)
     
    überschritten hatte, so mußte er überall mit der größten Vorsicht auftreten. Die Verhältnisse lagen hier umgekehrt, denn in den sibirischen Provinzen wimmelte es gewiß von tartarischen Spionen. Wurde sein Incognito gelüstet, seine Eigenschaft als Courier des Czar erkannt, so war es um seine Mission, ja vielleicht um sein Leben geschehen. Michael Strogoff empfand die Verantwortlichkeit immer schwerer, die jetzt auf ihm lastete.
    So gestalteten sich die Umstände in dem ersten Wagen, und wie sah es denn in dem zweiten aus? Ganz und gar wie gewöhnlich. Alcide Jolivet sprach in lustigen Sätzen, Harry Blount antwortete mit einsylbigen Brocken. Jeder sah die Sachen von dem ihm eigenen Standpunkte aus an und notirte sich Anmerkungen über Vorkommnisse während der Reise, Ereignisse, welche übrigens während dieses Zuges durch die ersten Gebietstheile Westsibiriens nicht von besonderem Gewichte waren.
    Auf jedem Relais stiegen die beiden Berichterstatter aus und suchten Michael Strogoff auf. Sollte im Posthause nicht eine Mahlzeit eingenommen werden, so verließ Nadia den Tarantaß gar nicht. Beabsichtigte man zu frühstücken oder zu Mittag zu speisen, so nahm sie zwar mit an der Tafel Platz, hielt sich aber sehr zurückgezogen und betheiligte sich möglichst wenig bei der Unterhaltung.
    Ohne jemals die Grenzen gebildeter Höflichkeit zu überschreiten, zeigte Alcide Jolivet doch für die junge Liefländerin, die er übrigens reizend fand, stets die größte Sorgsamkeit. Er bewunderte die schweigsame Energie, die sie den Strapazen einer unter so beschwerlichen Umständen ausgeführten Reise gegenüber zeigte.
    Die Zeiten gezwungenen Aufenthaltes gefielen Michael Strogoff nur sehr mittelmäßig. Auf jedem Relais trieb er zuerst zur Weiterfahrt, feuerte die Postmeister an, ließ die Jemschiks nicht zu Athem kommen und beeilte das Anspannen. War dann die Mahlzeit im Fluge verzehrt – gewöhnlich zu schnell und zum großen Leidwesen Harry Blount’s, der nun einmal ein methodischer Esser war, – so fuhr man ab, die Journalisten gleichfalls als Adler, denn sie bezahlten fürstlich und, wie Alcide Jolivet sagte, »als und mit

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