Der Cowboy
aber er wagte es nicht. Stattdessen fuhr er mit seinem Zeigefinger sanft über ihre Unterlippe, bis sie die Augen schloss und sich seufzend seiner Berührung hingab. “Vielleicht muss ich gar nicht reiten lernen”, flüsterte er und schob seinen Finger zwischen ihre leicht geöffneten Lippen. “Ich werde diesen Doobie davon überzeugen, dass ich Hastings bin, indem ich ein paar Bretter zusammenhämmere.”
Seine Stimme versagte. Alles, was ihn jetzt noch interessierte, war der Anblick von Jo und die Frage, wo sie ungestört sein konnten.
“Will jemand Kaffee und Kekse?”
Jo und Quinn zuckten zurück wie vom Blitz getroffen. Quinn versuchte, eine Position zu finden, die die Wölbung in seiner Hose verbarg.
“Hi, Emmy Lou. Hi, Benny.” Jo war feuerrot. “Wir wollten gerade …”
“Haben sie sich geküsst?”, fragte Benny die Haushälterin.
“Nicht wirklich.” Emmy Lou stellte das Tablett mit den Kaffeetassen auf einen Schemel.
“Wir haben uns unterhalten”, korrigierte Jo.
Emmy Lou goss eine Tasse Kaffee ein und reichte sie Jo. “Keine Erklärung nötig, Kindchen. Du hast mir doch schon gestanden, dass du ihn niedlich findest.” Sie füllte eine weitere Tasse und reichte sie Quinn.
Quinns Scham verwandelte sich in Freude. “Das hat sie?”
“Ich meinte das nur so allgemein”, sagte Jo verlegen.
“Aber du hast es gesagt.”
Emmy Lou tätschelte seinen Arm. “Ich finde Sie übrigens auch niedlich.”
“Ich nicht!”, brummte Fred, der gerade durch die Stalltür kam. “Wie geht’s Mutter und Kind?”
“Sie schlafen”, sagte Jo.
Quinn warf den Pferden einen schuldbewussten Blick zu. Die Stute und das Fohlen hätten auch Tango tanzen können, ohne dass Jo und er etwas mitbekommen hätten.
“Wie nennen wir ihn?”, fragte Fred.
Jo sah das kleine Fohlen an, das sich neben seiner Mutter zusammengerollt hatte. “Ich denke, wir sollten ihn Brian nennen. Aus Gründen der Glaubwürdigkeit.”
“Oh, oh”, sagte Fred. “Tu ihm das nicht an. Das ist doch kein Name für einen Hengst!”
“Dann eben Schwerenöter”, schlug Jo vor und warf Quinn einen langen, vieldeutigen Blick zu.
“Der Name gefällt mir”, sagte Emmy Lou zufrieden.
Fred stöhnte auf.
“Was bedeutet der Name?”, fragte Benny.
“Nichts weiter”, grummelte Fred. “Das soll also wirklich sein Name sein, Jo?”
“Jawohl.”
“Dann taufen wir dich hiermit offiziell auf den Namen ‘Schwerenöter’.” Fred entkorkte seinen Whiskey. “Mögest du ein langes und glückliches Leben haben.” Er nahm einen Schluck und wischte die Öffnung der Flasche mit seinem Ärmel ab. Mit einem schlitzohrigen Grinsen reichte er die Flasche an Quinn weiter. “Jede Wette, dass Sie noch nie Whiskey aus der Flasche getrunken haben, Stadtbürschchen.”
“Wette verloren. Es ist allerdings schon ein paar Jahre her.” Er nahm einen großen Schluck und musste husten, wobei er sich Kaffee auf sein Hemd schüttete. Seine Speiseröhre schien in Flammen zu stehen, und der heiße Kaffee verbrannte seine Brust.
“Her damit”, befahl Emmy Lou, schnappte sich die Flasche und roch daran. Dann warf sie Fred einen tadelnden Blick zu. “Was denkst du dir nur, dem Jungen dein hausgemachtes Gesöff anzudrehen? Willst du ihn etwa umbringen?”
“Jo hat gesagt, dass ich einen Cowboy aus ihm machen soll.”
“Genau: einen Cowboy, keinen Alkoholiker.”
Fred streckte kampflustig sein Kinn vor. “Ein echter Cowboy verträgt das Zeug, ohne mit der Wimper zu zucken.”
Quinn hatte sich erholt und stellte die Kaffeetasse ab. “Geben Sie mir die Flasche, Emmy Lou.”
“Auf keinen Fall.”
Quinn wusste, dass er mit seinem Lächeln
alles von Emmy Lou bekommen würde. “Kommen Sie schon. Lassen Sie mich meine Ehre wiederherstellen.”
Jetzt mischte auch Jo sich ein. “Vergiss deine Ehre, Quinn. Das Zeug brennt dir Löcher in die Magenwände.”
“Ihr seid doch alle ein Haufen Mimosen”, meckerte Fred.
Quinn winkte nach der Flasche. “Her damit.”
“Tu das nicht”, flehte Benny. “Das Zeug ist tödlich.”
Quinn warf Fred einen Blick zu. “Er wirkt aber noch ziemlich lebendig.”
“Fred ist kein Maßstab”, sagte Emmy Lou. “Seine Organe bestehen aus Titanium.”
“Emmy Lou. Die Flasche bitte.”
Widerwillig reichte Emmy Lou Quinn die Flasche. “Nur damit Sie’s wissen – das nächste Krankenhaus ist Ewigkeiten weit entfernt.”
“Ich werde keins brauchen.” Quinn traf Freds stechenden Blick. Dann hob er
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