Der Cowboy
Kühltasche auf dem Rücksitz erst, als der Abschleppwagen eintraf.
Kurz entschlossen schnappte er sie sich, winkte ein vorbeifahrendes Taxi heran und machte sich auf den Weg zum Flughafen. Er hoffte sehr, dass er Jo noch erwischte, bevor sie abflog.
Als er am Flughafen eintraf, wurde ihm klar, wie hoffnungslos es war. Er wusste nicht einmal, mit welcher Gesellschaft sie flog. Abgesehen davon hatte sie es so eilig gehabt, dass er davon ausgehen musste, dass ihr Flugzeug schon lange abgehoben hatte.
Ratlos stand er im Menschengewimmel und überlegte, was er tun sollte. Er hatte den Eindruck, dass Jo bitterlich enttäuscht sein würde, wenn sie bemerkte, dass sie das Sperma nicht bei sich hatte. Vielleicht würde das sogar das Aus für ihre Ranch bedeuten! Quinn gefiel der Gedanke an eine bitterlich enttäuschte Jo ganz und gar nicht. Aber noch viel weniger gefiel ihm, dass er selbst diese Situation verursacht hatte.
Er könnte … natürlich!
Er hatte sich sowieso einige Tage freigenommen, um seine Wette einzulösen. Er würde ihr einfach hinterherfliegen.
Meilen entfernt von der nächsten Ortschaft fuhr Quinn durch das offene, weite Land Montanas. Unter dem gewaltigen Sternenhimmel fühlte er sich in seinem Mietwagen klein wie eine Ameise. Die Berge mit ihren schneebedeckten Spitzen ragten drohend in die dunkle Nacht empor. Schon seit einer halben Stunde war ihm kein anderes Fahrzeug mehr begegnet.
Das hier war also die Landschaft, die Jo so liebte. Langsam begann Quinn, die Entschlossenheit und Geradlinigkeit, die ihm an Jo aufgefallen waren, zu verstehen – anders konnte man in dieser wilden Einöde wohl kaum überleben.
Er betete zu Gott, dass er die
richtige
einsame Straße gewählt hatte. Bevor er abgeflogen war, hatte er seine Sekretärin gebeten, für ihn herauszufinden, wo sich die Ranch
Bar None
befand. Als er gelandet war, hatte sie ihm schon eine detaillierte Wegbeschreibung gesimst – detailliert jedenfalls für die Verhältnisse von Montana, wo in Quinns Augen alle Straßen gleich aussahen.
Wenn er sich verfahren hatte, würde ihm früher oder später das Benzin ausgehen. Was bedeutete, dass ihn entweder ein Bär fressen oder eine Schlange angreifen würde, gesetzt den Fall, dass er nicht vorher verhungerte.
Quinn schüttelte seine unheilvollen Gedanken ab.
Der Westen faszinierte ihn schon seit seiner Kindheit, aber jetzt, wo er da war, stellte er fest, dass seine Vorstellung reichlich romantisch gewesen war. Statt Cowboys am Lagerfeuer und Saloons erwartete ihn hier eine Weite, die er als Stadtmensch beängstigend fand. Vielleicht hatte Murray recht und das Leben an der Wall Street hatte ihn verweichlicht.
Als er um eine Kurve fuhr, sah er in der Ferne ein Licht aufblinken. Er warf einen Blick auf seinen Kilometerzähler. Wenn er auf der richtigen Straße war, musste es von Jos Ranch stammen.
Nach einigen weiteren Kurven stieß er auf ein hölzernes Tor auf der rechten Straßenseite. Zwischen den Pfosten baumelte ein Schild, auf dem in eingebrannten Buchstaben
Bar None
stand.
Er stieg aus dem Wagen, öffnete das Gatter, das zum Glück nicht abgeschlossen war, und fuhr hindurch. Dann schloss er es wieder und lenkte das Auto schließlich langsam eine holperige Straße entlang auf die einladenden Lichter zu. Am Wegesrand sah er dunkle Schatten auf den Wiesen. Er hoffte inständig, dass es sich nicht um Grizzlybären, sondern um Pferde und Kühe handelte.
Am Ende der Straße stieß er auf ein Farmhaus sowie mehrere Scheunen und Koppeln. Aus den Fenstern des weiß gestrichenen Haupthauses drang warmes Licht in die Dunkelheit. Auf der Veranda quietschten zwei Schaukelstühle in der leichten Brise.
Die Ranch sah aus wie gemacht für einen Hastings-Film. Hastings war großer Wild-West-Fan und hatte für ein Wiederaufleben des Interesses an Cowboyfilmen gesorgt. Quinn hoffte, dass der Star Jos Ranch als Drehort auswählen würde. Er konnte sich niemanden vorstellen, der ein wenig Glück mehr verdient hatte als Jo.
Quinn nahm die Kühltasche vom Beifahrersitz, stieg aus und schloss die Wagentür. Eine dickliche Frau in den Vierzigern öffnete die Haustür und spähte hinaus.
Er lächelte ihr zu. “Hallo. Ich bin …”
“Lobet den Herren!” Die Frau starrte ihn an, als wäre sie gerade Zeugin eines Wunders geworden.
Quinn war ja klar, dass es nett von ihm war, Jo hinterherzureisen, aber mit einem solchen Effekt hatte er nicht gerechnet. “Stets zu Diensten! Es war das Mindeste, was ich
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