Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
vor allem froh, ihnen weitgehend aus dem Weg gehen zu können. Nur ein drei Meter großes verfilztes Monsterwesen sprach sie an, ob sie wohl nicht eine Flasche Fusel für es erübrigen könnten. Sie verneinten höflich. Ein andermal vielleicht. Daraufhin verbuddelte sich das Vieh wieder grunzend im Abfall. Aber endlich hatten die jungen Leute am späten Nachmittag die Müllplätze hinter sich gelassen und näherten sich der eigentlichen Stadt Macabra. Doch der Gestank hatte bislang nicht nachgelassen. Und Kobanessa wurde immer blasser und schweigsamer.
Vor sich erblickten sie die Skyline der miesesten Wohngegend in der ganzen Dimension. Noch vor Einbruch der Dunkelheit würden sie die Innenstadt erreicht haben. Aber scharf waren sie ganz sicher nicht darauf, denn was sie sahen, gefiel ihnen überhaupt nicht. Die Siedlung sah aus wie eine übel zerbombte und verkohlte Stadt in Europa kurz nach dem zweiten Weltkrieg. Alles war halb auch oder gänzlich zerstört und verwahrlost. Den Wohnungen im zehnten Stock eines Hochhauses zum Beispiel fehlten glatt ein oder zwei Außenwände. Dächer von anderen Behausungen waren abgedeckt, wieder andere ehemalige Wolkenkratzer waren auf halber Höhe eingestürzt. Im Hintergrund der ehemaligen Wohnhäuser, die freilich doch noch immer als solche genutzt wurden, ragten gewaltige Fabrikschlote in den dunklen Himmel und entließen schwarze und gelbe Dämpfe und Gase in die rettungslos vergiftete Luft. Ein übel verkommenes, aber immer noch aktives Atomkraftwerk in der Nähe einer zerbombten Schule tat den Rest, um die Lebensbedingungen hier so extrem und beschwerlich wie möglich zu machen. Zum ersten Mal wurde den Gästen der Treibhauseffekt so drastisch vor Augen geführt wie hier: Wie unter einer Käseglocke aus Schmutz und Wolken hatte sich das ganze Gift aus Verbrennungsmotoren, Fabriken, Hausbränden und ähnlichem gestaut und verdunkelte die Umgebung. Die Luft war so dick, das man sie fast hätte schneiden können. Es stank erbärmlich nach Schwefel, Ruß, Dioxinen und Krankheit in Macabra. Die Gifte und die tausendfach erhöhte radioaktive Strahlung hatten längst ihre Spuren hinterlassen bei der gleichgültigen, abgestumpften Bevölkerung, für die der Begriff Umweltschutz ein echtes Fremdwort darstellte. Seit Generationen wurden die Gifte eingeatmet und durch die Nahrung aufgenommen. Atomare Strahlung hatte die Zellen, Muskeln, Knochen und sogar den Charakter zwar nicht aller, doch zumindest vieler Einwohner verändert. Die Kindersterblichkeit hatte in der Nähe der Schlote eine Rate von nahezu neunzig Prozent erreicht, und wer lebend auf die Welt kam, hatte nur geringe Chancen darauf, zehn Jahre oder älter zu werden. Denn wer nicht der Umweltkatastrophe zum Opfer fiel, der wurde von Kriminalität, Gewalt und Bürgerkrieg dahingerafft. Nur die Allerstärksten kamen durch. Aber zu welchem Preis? Erbanlagen und Lebensqualität waren für immer zerstört, und die Leute waren längst zu teilnahmslos geworden, um diesem Teufelskreis entkommen zu können. Die Vorform der Hölle. Und Ben, Charly, Nessy, Rippenbiest und ihre Katzen gingen geradewegs mitten hinein. Hier am Ortsanfang musste wohl einmal ein Wohnsilo wie aus den sechziger Jahren der Menschheit in der alten Dimension gestanden haben. Aber Nennenswertes übriggeblieben war davon freilich nichts. Das Kohlenmonoxyd in der Luft hatte den Stein zerfressen, Kriege hatten stattgefunden und Häuser in Schutt und Asche gelegt, niemand hatte sich dabei um den Erhalt des Wohnraumes geschert. Die Bewohner des Viertels vegetierten in den Resten der Hochhäuser oder einfach auf der Straße, in engen Gassen, die nirgendwo hinführten oder in Kolonien, die auf Fäkalien, Schutt und Knochen gebaut worden waren. Wer hier nicht depressiv wurde, der hatte längst seine Seele an den Teufel verkauft. Wie Nebelschwaden zogen giftige Dämpfe und Abgase durch die Winkel des Viertels. Ben musste unbedingt einen Weg hier raus finden für sich und seine Freunde. Einen Weg nach Nordwesten, zurück zur Hauptstraße, die zum Labyrinth führte. Aber sie hatten schon bald die Orientierung verloren und wussten nicht mehr weiter. Ben hustete ob der geteerten Luft.
„Es hilft alles nichts, Leute. Wir sollten einen Einheimischen fragen, der uns sagen kann, wo es rausgeht aus diesem Loch.“
„Du hast Recht“, bemerkte der Taure und ließ den Blick schweifen. „Aber schau dir doch diese Gestalten nur an. Wen kann man da ansprechen?“
Ben schaute,
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