Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
Die gibt’s da an jeder Ecke für kleines Geld zu kaufen. Und mit der Zeit gewöhnt ihr euch bestimmt an das Sonnenlicht und könnt auf die Brillen ganz verzichten.“
„Das wär schade!“, rief einer der Rattenfresser. „Ich finde das Ding schick! Voll cool“
„Für Geld kaufen, sagst du“, sagte der Chef nachdenklich. „Wir haben kein Geld. Können wir nicht klauen?“
„Damit es euch am Ende genauso geht wie deinem Opa?“ Ben wollte die Monster auf den rechten Weg führen. „Ich gebe euch Geld für einen guten Start ins neue Leben. Aber wehe, mir kommen Klagen zu Ohren. Führt gefälligst ein anständiges Leben, und bewegt da oben etwas zum Besseren. Außerdem wäre es gut, ihr kauft euch ein paar ordentliche Kleider und wascht euch gründlich, sonst nimmt euch keiner ab, dass ihr die Welt verändern wollt.“
Den Rattenfressern gefiel die Idee. Ja, sie wollten und würden hinaufgehen und der Welt zeigen, wozu sie in der Lage waren. Die Tuberkulaten würden das Gute in die Welt prügeln – vielleicht ging es ja zur Abwechslung auch mal ohne Prügel?! So wie der komische Mensch es ihnen gesagt hatte. Wie sollten sie ihm sonst für die neue Chance danken?
„So machen wir es“, versprach der Chef. „Eigentlich hatten wir ja vor, euch trotzdem aufzufressen. Aber das lassen wir dann lieber. Vertrauen gegen Vertrauen.“
Die Tuberkulaten verabschiedeten sich und rannten dem nächsten Ausgang entgegen, voller Freude auf die Oberwelt und ein neues Leben. Und irgendwann würde eine Legende von Monstern in Maßanzügen und mit Sonnenbrillen, die der Stadt Macabra das Gute gebracht haben sollen, erzählt werden. Doch diese Geschichte ist nicht die unsere.
Mit etwas weniger Gold und Marschgepäck machten sich die Fünf und ihre kleinen Schatten auf den Weg zur letzten Etappe durch die Kanalisation des Zentrums. Und endlich ging es wieder ohne Probleme und unfreiwillige Unterbrechungen weiter. Keine vorlauten, verfilzten Ratten, keine Fresser der gleichen und keine verrückten Kanalarbeiter weit und breit. Nur der bestialische Gestank war geblieben. Aber den bemerkten die Fünf nun kaum noch. Denn sie waren selbst so etwas wie Bestien geworden. Die friedfertigen Bestien des Kanals.
Viele Nichtsstunden waren vergangen. Schien weit über ihren Köpfen augenblicklich die Sonne oder herrschte finstere Nacht? Längst hatten die Menschen vergessen, wie lange sie schon unterwegs waren. Genauso, wie Ben und Charly vergessen hatten, wie lange sie eigentlich schon im Nichts ihre zweite Heimat gefunden hatten. Nur die Katzen wussten dank ihrer inneren Uhr Bescheid. Aber niemand fragte sie.
„Nach meinem Gedächtnis, nach meinen Aufzeichnungen und nicht zuletzt nach meinem Gefühl müssten wir jeden Moment den richtigen Aufgang finden“, prognostizierte der Kleine Mann.
„Das hoffe ich“, meinte Charly eher gelangweilt.
Ben dagegen erwachte nun aus seiner Monotonie. Er brauchte es irgendwie, ein Ziel vor Augen zu haben, und gerade jetzt schien es wieder greifbar nah zu sein. Und es schien nicht nur so, denn der kleine Mann hatte sich nicht geirrt. Nur wenige Nichtsminuten später entdeckten sie über sich einen schwachen Lichtschein. Er drang durch die Öffnungen des Kanaldeckels, der in rund fünf Metern Höhe über ihnen zu erkennen war. Lange unbenutzte Tritteisen wiesen den Weg nach oben ins lange vermisste Sonnenlicht. Also musste ja wohl Tag sein! Nur noch durch die Spinnweben des gemauerten Zylinders nach oben, dann hatte die Erde sie endlich wieder.
„Das ist das richtige Rohr in die Freiheit!“, triumphierte der Kanalplaner der Stadt Macabra.
Aber noch bevor einer der Fünf nur einen Fuß, beziehungsweise eine Pfote, auf die unterste Stufe stellen konnte, wurden ihre Augen abgelenkt durch das, was sich im Lichtkegel von Bens Lampe abzeichnete. Die Männer zuckten unwillkürlich zusammen. Damit hätten sie in der Kanalisation wohl am allerwenigsten gerechnet. Nach dem ersten Schrecken ging Ben mit der Taschenlampe voran noch ein paar Schritte weiter durch den Kanalgang in westliche Richtung; auf das Unerklärliche zu. So sonderbar es war, was er sah, es kam ihm doch ein wenig vertraut vor. Auf ein paar Fuß Entfernung erblickte er alles, wusste aber immer noch nicht, warum ihm das von irgendwoher bekannt vorkam: Ein Skelett im Rollstuhl! Bis auf die Knochen abgenagt saß ein toter Mensch in einem altmodischen Fahrstuhl aus Holz, Reste einer karierten Decke über die dürren fleischlosen
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