Der Dämon, die Zeitmaschine und die Auserwählten (Zehn Namen) (German Edition)
erstreckte er sich tief unter der Wüste im Gestein der Mutter Erde. Wegkreuzungen, Abzweigungen oder gar einen Ausgang nach oben gab es offenbar nicht. Also blieb den Wanderern nichts anderes übrig, als weiter dem Verlauf des seltsamen Korridors zu folgen. Solange, wie die Batterien in den Taschenlampen hielten. Oder bis sie aufgehalten würden ...
Denn urplötzlich, nachdem sie sicher schon zwei Nichts-Stunden durch den schwarzen Stollen marschiert waren, trafen die Lichtkegel ihrer Lampen auf etwas anderes als nur nackten, tropfenden Fels. Dort in einem Winkel des Stollens lag ein Skelett. Und Ben war sicher, dass es sich um die sterblichen Überreste einer ihm wohlbekannten Spezies handelte. Das Skelett eines Menschen. War er oder sie zu Lebzeiten Erbauer dieses unterirdischen Bauwerkes gewesen? Sie konnten ihn oder sie leider nicht mehr fragen. Wer wusste schon, vor wie langer Zeit dieser Mensch schon gestorben war? Vor einem Jahr? Vor zehn oder hundert Jahren? Womöglich noch mehr? Wie lange hielt sich ein menschliches Knochengerüst unter diesen Umständen? Schulterzuckend gingen sie weiter. Minuten später erfolgte ein Schrei. Lisas Schrei. Sie hatte wieder eines gesehen. Ein weiteres Skelett. Und noch andere folgten. Bald darauf hatten sie an die sieben oder acht menschliche Überreste gefunden und den ersten Schrecken davor verloren. Frische Leichen befanden sich nicht darunter, alle hatten schon einige Stadien der Verwesung hinter sich, so dass sie nur Skelette und vereinzelte Knochen am Stollenrand fanden. Doch es waren ausschließlich die Knochen von Menschen. Eine ausgestorbene Zivilisation, die einst diese Gänge erdacht und erbaut hatte vielleicht? Wer konnte das wissen? Sie wanderten also weiter. Etwa eine halbe Nichtsstunde später – längst drohte ob der Monotonie das Zeitgefühl wieder zu verblassen – streifte das Licht einer Taschenlampe wieder einen Menschen. Doch es gab da einen klitzekleinen Unterschied zu den Exemplaren, die sie bislang im Stollen entdeckt hatten. Dieser Mensch lebte! Und nicht nur dieser. Wie aus dem Boden emporgestiegen stand ein gutes Dutzend Menschen vor ihnen. Männer, Frauen, Kinder. Alle waren nackt und - was die Besucher schockte – sie besaßen keine Augen! Nur tiefe dunkle Höhlen in ihren ausgemergelten Gesichtern.
„Willkommen in unserer Lebensstätte“, sagte der größte unter ihnen. Ohne den Mund zu öffnen oder wenigstens zu bewegen. Entweder ein begnadeter Bauchredner oder ein Telepath. Die Menschen erwiderten seinen Gruß ebenso leide wie angstbeladen. Ben stellte, wie gewohnt, seine Mitreisenden vor. Sogar den Verbrecher Luna, der immer noch mit der Flinte in der Hand mit ihnen durch die Gänge eilte.
„Hat euch unser Wasser gemundet?“, fragte der alte Sandmensch die Gäste. „Es ist sehr gutes Wasser. Und das einzige in der Wüste, wie ihr sicher schon festgestellt habt.“
Wieder hatte sich der schmale Mund des alten blinden Mannes nicht bewegt. Er hatte die Worte einfach in die Köpfe der Fremden gedacht.
„Danke! Euer Wasser rettete unser Leben“, bedankte sich Ben artig und ehrlich, indem er natürlich seinen Mund bewegte.
„Sicherlich ist euch klar, dass wir es euch nicht ohne Gegenleistung überlassen können“, dachte der Alte ohne Augen.
„Was meinen Sie ...?“, begann Ben.
„Später, mein Sohn der Sonne. Später. Nun wollen wir erst einmal gemeinsam mit meiner Familie essen. Keine Sorge! Das Essen ist umsonst.“
Der Sandmensch lächelte in die Gedanken der Eindringlinge hinein.
Und obwohl er – wie seine umfangreiche Familie auch – nicht sehen konnte, ging er den Fremden voran in die erste seitlich gelegene Kammer, die dieser Stollen aufwies, hinein. Ben, Yoghi, Charly, Lisa, Rippenbiest, Nessy und Luna – gefolgt von dem Rest der blinden Familie – gingen hinterher. Nur die Katzen blieben ein Stück zurück. Irgendwas stimmte mit den hageren Stollenmenschen nicht. Katzen spüren sowas. Doch ihre geliebten Menschen wollten den Gastgebern und Lebensrettern die Einladung keinesfalls ausschlagen. Und sie staunten beileibe nicht schlecht, als sie erkannten, dass der Seitengang in einem großen, doch ebenso dunklen Gewölbe mündete, das den Sandmenschen als Aufenthaltsraum diente. Die hintere Wand der Kammer war ziemlich schräg geraten. Dort waren, wie an einem Weinrebenhang, Kakteen angebaut worden. Fein säuberlich wuchsen sie in Reih und Glied. Sie steckten in torfiger, schwarzer Erde. Weiß der Teufel, wo die
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