Der Dämonen-Gnom
schmalen Tür blieb er stehen. Sie war nicht geschlossen, aber er zog sie noch nicht auf, sondern wartete, weil er sich noch umdrehen und nach seinen Freunden Ausschau halten wollte.
Waren sie da?
Der Gnom wischte über seine Augen. Für einen Moment hatte er das Gefühl, die Beine wären ihm unter dem Körper weggezogen worden, denn er sah nichts mehr von ihnen. Sie hatten sich aufgelöst, waren so einfach verschwunden, als hätte die Dunkelheit sie aufgesaugt.
Nichts mehr da.
Der Zwerg strich über sein Haar. Eine Geste der Verlegenheit, wie üblich bei ihm. Nur war er in diesem Augenblick alles andere als verlegen. Er fühlte sich gut, seitdem sich die vier Leibwächter nicht mehr in seinem Rücken befanden. Es war einfach eine wunderbare Zeit für ihn, denn er wußte jetzt, daß es ihm wesentlich besser erging als noch vor einigen Stunden.
Die vier waren verschwunden, jedenfalls zeigten sie sich nicht.
Er sorgte sich um etwas anderes, denn er hatte harte Tritte gehört. Gar nicht mal weit entfernt. Wahrscheinlieh war doch irgend jemand durch das Schreien der Tiere alarmiert worden und lief nun los, um nachzuschauen.
Auf seinen kleinen Beinen huschte Pablo an der Schmalseite des hölzernen Futterhauses entlang und war wenige Atemzüge später um die Ecke gewischt. Damit stand er im toten Winkel.
Er hörte den Mann gehen. Dann vernahm er seine Stimme. Es war der Pferdebändiger, der nach seinen Tieren schauen wollte, weil ihn das Wiehern geweckt hatte.
Beruhigend sprach er auf die Tiere ein. Manchmal wurde seine Stimme von einem Schnaufen überlagert, und auch das Scharren der Hufe auf dem harten Boden war zu hören.
Der Mann blieb nicht lange bei seinen Tieren. Schon nach knapp einer Minute ging er wieder davon. Laut knallte er die Tür seinen Wagens hinter sich zu.
Pablo aber stand hinter dem Haus und lachte. Er hatte den Mund weit aufgerissen, dennoch war sein Lachen nicht zu hören. Er schüttelte sich nur, höchstens glucksende Gräusche drangen aus seinem Mund. Damit störte er keinen.
Dann ging er wieder zurück.
Niemand und nichts hielt ihn auf, die Tür zu öffnen. Er betrat den Vorratsschuppen, zerrte die Tür wieder hinter sich zu und nahm den typischen Geruch wahr, den das Heu ausströmte.
Es war stockfinster im Innern. Es gab auch kein Fenster, aber der kleine Mann kannte sich aus. Er wußte, wo er herzugehen hatte, ohne gleich in den Strohhaufen zu versinken. Auch in der völligen Finsternis fand er seinen Schlafplatz.
Dort ließ er sich nieder.
Daß er hier seine Nächte verbrachte, wußte jeder Mitarbeiter im Zirkus, jeder war froh darüber, denn mit ihm zusammen in einem Wagen hätte es niemand lange ausgehalten. Pablo war nicht gelitten und nur dann akzeptiert, wenn er in der Manege stand und seine Künste vorführte. Da waren die Zuschauer aus dem Häuschen, da schaffte er es dann, sie zum Lachen und zum Weinen zu bringen, und dies nur durch Gesten, Bewegungen und mit sehr sparsamen Hilfsmitteln.
Er lag nicht auf dem nackten Boden. Er lag auch in den Nachtstunden nicht nur auf dem Stroh. Um hier die Zeit verbringen zu können, hatte er sich ein Lager geschaffen und einen alten Sack mit Stroh gefüllt. Hin und wieder erneuerte er die Füllung, und als Decke nahm er stets einen großen Mantel, den er sich aus dem Müll geholt und gereinigt hatte.
Pablo war ein bescheidener Mensch. Wenn er sich wusch und rasierte, tat er das im Freien an der Pumpe, und es war ihm egal, ob ihm jemand zuschaute. Wer den kleinen Mann nackt sah, schaute sowieso schnell wieder zur Seite.
Er hatte sich daran gewöhnt, ihn störten ab sofort die Hänseleien nicht mehr, und mit diesem Bewußtsein ließ er sich auf sein spartanisches Lager sinken.
Schlafen, sich ausruhen und gleichzeitig für den folgenden Tag vorbereiten. So lautete seine Devise. Er war mit sich und seinem Schicksal zufrieden, was sich auch in seinem Lächeln ausdrückte, das seinen Mund noch breiter machte.
Aber er konnte nicht schlafen. Eine innere Unruhe hielt ihn gepackt wie die Backen einer Zange. Er mußte immer wieder an seine Zukunft denken, die für ihn so rosig aussah.
Er träumte von der Macht, er malte sich vieles aus, zu dem ihm die vier Geister den Weg weisen würden. Besonders zu den Frauen, denn sie hatten ihn bisher stets ausgelacht, wenn er was von ihnen wollte. Er knirschte einige Male mit den Zähnen, als ihm dieser Gedanke gekommen war, aber das gehörte alles der Vergangenheit an. Nie mehr, nie, nie, nie…
Mit
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