Der Dämonen-Turm Traumtor-Trilogie Band I (German Edition)
Varnhag fort gewesen war, kannte sie die Gegend nicht. So wusste sie nicht, dass sie in der Richtung, die sie eingeschlagen hatte, nicht auf weitere Ansiedlungen stoßen würde, sondern sich auf eine weite Steinwüste zubewegte, die sich Meile über Meile nach Westen erstreckte.
Nur kurze Zeit rastete sie daher an einem Bach, der ihren Weg kreuzte, um das Pferd zu tränken und sich ein wenig zu erfrischen. Wie groß war daher ihr Schrecken, als sie gegen Mittag die ansteigenden Felsmassen sah und der spärlich gewordene Grasbewuchs dichten Geröllbrocken wich.
Ratlos hielt Deina an. Hilflosigkeit, Hunger und Übermüdung trieben ihr die Tränen der Verzweiflung in die Augen. Was sollte sie nur anfangen?
Sie erinnerte sich nun, dass ihr oft von diesem öden Gebiet erzählt worden war. Warum nur hatte sie ausgerechnet diese Richtung eingeschlagen? Warum war sie nicht nach Süden geritten, wo die valaminischen Städte Torlond und Menhag lagen? In ihrer Verwirrung durch die ausgestanden Schrecken und in ihrer Angst war sie blindlings drauflos gestürmt, ohne ihr Tun zu überlegen. Was würde nun werden?
Menhag, die nächste Stadt, lag drei Tagereisen in südwestlicher Richtung von Varnhag entfernt. Deina wusste nicht, ob sie, wenn sie von ihrem jetzigen Ausgangspunkt nach Südosten ritte, auf ihrem Weg durch bewohnte Gegenden käme. Wie sollte sie an Nahrung kommen? Konnte sie so lange nur mit ein paar Beeren und Früchten durchhalten, die sie vielleicht unterwegs fand, oder würden sie vorher die Kräfte verlassen? Hätte sie wenigstens ihren Jagdbogen gehabt, hätte sie sich zumindest ein Wild schießen können. Aber sie hatte ja nicht mal etwas, um Feuer zu machen, da sie bei ihrer Flucht nicht mehr als das nackte Leben hatte retten können.
Entmutigt beschloss sie, zunächst einmal ein Stück in südöstlicher Richtung zu reiten, damit zumindest Sama genug Futter fände. Etwa zwei Stunden später stieß sie auf einen kleinen Teich, der von einer Quelle gespeist wurde und dessen Rand mit dichtem Gras bewachsen war. Sie glitt vom Rücken der Stute und ließ sich erschöpft ins Gras sinken, während Sama sich zu dem saftigen Futter beugte.
Die Sonne schien warm, und in wenigen Augenblicken war Deina eingeschlafen.
Erschrocken fuhr sie hoch, als sie plötzlich einen harten Stoß in die Seite erhielt. Entsetzt starrte sie in die wilden Gesichter von fünf Kawaren, die sie im Kreis umstanden. Einer der Männer hatte ihr einen Fußtritt versetzt, um sie zu wecken.
„Was haben wir denn hier?“ höhnte er. „Eine dreckige kleine Pferdediebin! Auf, mein Herzchen! Wir wollen von dir Bezahlung für die Stute, die du uns gestohlen hast.“ Er ergriff das Mädchen am Arm und zerrte sie brutal auf die Füße.
„Was für eine graue Maus!“ lachte ein anderer. „Lass sie in Ruhe, Harkun! Unter den neuen Sklavinnen sind weit Hübschere als dieses dreckige, magere Ding hier. Wir haben auch keine Zeit, uns lange mit ihr zu befassen. Wir müssen zurück, sonst wird Zolkar wütend. Du weißt genau, wozu er dann fähig ist. Wir nehmen sie mit, und dann soll er bestimmen, was mit ihr geschehen soll.“
„Du hast Recht, Tugon“, sagte Harkun abfällig. „Sie ist wirklich dreckig und mager und wir sollten keine Zeit an sie verschwenden. Zäumt die Stute mit meinem Sattelzeug auf, denn ich werde das kostbare Tier zurückreiten. Hängt die diebische Elster über den Rücken meines Pferdes und bindet sie fest, damit sie uns nicht entkommt und Zolkar um sein Vergnügen bringt. – He, he, schaut euch diese kleine Wildkatze an!“
Deinas Erstarrung hatte sich gelöst. Voller Verzweiflung hatte sie Dardas‘ Dolch unter dem Mantel hervorgerissen, und nur durch seine schnelle Reaktion hatte Harkun dem nach seiner Brust geführten Stoß ausweichen können. Doch die scharfe Klinge hatte auf seinem Arm einen blutigen Schnitt hinterlassen. Mit wutverzerrten Gesicht entwand er Deina den Dolch und warf ihn zu Boden. Dann fasste er mit der Linken das sich heftig wehrende Mädchen und schlug ihr mit der rechten Hand mehrere Male mit voller Wucht ins Gesicht. Deinas Kopf wurde von den brutalen Schlägen hin und her geworfen. Halb betäubt sank sie stöhnend in die Knie. Blut lief aus ihrer Nase und einer ihrer Mundwinkel war aufgerissen.
Harkun riss sie roh wieder hoch. Aus seiner Tasche zog er einen Lederriemen, drehte ihre Arme auf den Rücken und band dann ihre Handgelenke so fest zusammen, dass sie einen
Weitere Kostenlose Bücher