Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
einen Steinwurf von Vetters Ladenlokal entfernt liegt. Zu den Insignien
des Wohlstandes gehören für Gärtner und seine Kartenfreunde edle Zigarren,
erlesene Weine – oder, wenn Frauen anwesend sind, auch Champagner – und teure
Wagen, vorzugsweise Sport- oder Geländewagen der Preisklasse ab 100.000
Franken. Seinen Reichtum stellt Gärtner ungeniert zur Schau.
Offenbar
gehen die Geschäfte glänzend, bei Gärtner ebenso wie bei den
liechtensteinischen Treuhändern und Banken. Der Fall des Eisernen Vorhangs hat
neue Märkte entstehen lassen. Märkte, in denen sich sehr schnell sehr viel Geld
verdienen lässt – das diskret angelegt werden möchte. Auch in diesen
Ländern hat sich Liechtensteins Reputation als absolut verschwiegener
Finanzplatz herumgesprochen. »Das Geschäftsjahr 1997 haben alle fünf Banken mit
einem wiederum hervorragenden Ergebnis abgeschlossen«, frohlocken die von
Berufs wegen eigentlich zurückhaltenden Mitarbeiter des Amtes für
Volkswirtschaft in ihrer jährlichen Bankstatistik.
Insgesamt
verwalten die 1 400 Angestellten der liechtensteinischen Banken 1997
Kundenvermögen in Höhe von rund 80 Milliarden Schweizer Franken. Der jährliche
Reingewinn der liechtensteinischen Banken hat sich seit 1990 auf über 300
Millionen Franken verfünffacht. [93] Und auch die Finanzen des Landes
Liechtenstein kennen nur eine Richtung: aufwärts. Das Fürstentum schließt das
Fiskaljahr 1997 mit einem Ertragsüberschuss von 51 Millionen Franken ab. Das
Reinvermögen des kleinen Landes steigt auf 577 Millionen Franken. Pro Kopf der
Bevölkerung macht das eine Reserve von rund 18.000 Franken. [94]
Heinrich
Kieber sucht in der Gaststube von Guntram Vetters Laden die Nähe zum Neureichen
Hubert Gärtner: »Hubert hat Heinrich gestopft«, so Vetter. »Der hat ja mit Geld
nur so um sich geschmissen. Er hatte ja auch drei Reitpferde.« – »Heinrich
hat im Laden vom Vetter gejammert, er habe keine Arbeit«, erinnert sich
Gärtner: »Ich habe ihm dann eine Existenz geboten, und er lebte auf meine
Kosten.« Fortan fährt Kieber, der keinen Alkohol anrührt, die teuren Sportwagen
mitsamt dem betrunkenen Chef nach Hause, wenn dieser im Reitclub über die Stränge geschlagen hat, macht Botengänge, chauffiert Gärtners Tochter
und ihr Pferd zu Turnieren und speist mit seinem neuen Chef im legendären
Restaurant Real im Zentrum von Vaduz.
Das Lokal
von Felix Real ist eine Institution in Liechtenstein. Real, geschult im Pariser Maxim’s ,
hat den Dorfbewohnern aus Vaduz und Liechtenstein nach dem Krieg beigebracht,
was guter Geschmack ist. Bei Felix Real und seiner Frau Resi geht die Welt aus
und ein. Hier haben Zarah Leander und Gracia von Monaco gespeist, Prinzessin
Diana und Ingemar Stenmark .
Im Zentrum von Vaduz bewirtet das Ehepaar Real Liechtensteins Staatsgäste,
Fürst Hans-Adam und Fürstin Marie sind gerngesehene Gäste. Hier halten
Treuhänder und Banker ihre wichtigen Kunden mit den Kreationen aus der
hochgelobten Küche und den Schätzen aus Felix Reals Weinkeller bei Laune. Auch
Vermögensverwalter Hubert Gärtner verwöhnt seine Klienten vorzugsweise im Real . Aber
nicht nur die: »Es ist immer wieder vorgekommen, dass ich mit Kunden im Real zu
Tisch war, als Heinrich plötzlich auftauchte, sich dazusetzte und sich selbst
einlud.«
Ende 1997
vermiest das Nachrichtenmagazin Der Spiegel den Liechtensteinern die scheinbar ewig
währende Party. Das Titelthema der Ausgabe vom 15. Dezember ist ihr
Steuerparadies, mit der Schlagzeile: »Wie die reichen Deutschen ihr Geld vor
der Steuer verstecken.« Ausgangspunkt der Spiegel -Geschichte, die intime
Einblicke in das äußerst verschwiegene Geschäft mit Stiftungen und Trusts gibt,
sind gestohlene Kundendaten aus dem Treuhandbüro Dr. Dr. Batliner & Partner
in Vaduz. Namensgeber und Firmengründer Herbert Batliner gehört zu den
Pionieren des Treuhandgeschäftes in Liechtenstein und ist damit reich geworden.
Das Vermögen des Kunstsammlers wird auf 100 bis 200 Millionen Franken
geschätzt. [95] Seine Verbundenheit zum Fürsten von
Liechtenstein ist legendär. Als 1993 die Hochzeit von Erbprinz Alois mit Ihrer
Königlichen Hoheit Herzogin Sophie in Bayern anstand, übernahm Batliner das
Präsidium des Organisationskomitees.
Batliners Treuhandbüro liegt keine 500
Meter Luftlinie von Vetters Lebensmittelladen im Zentrum von Vaduz entfernt,
direkt an der Äulestraße . Nebenan befindet sich eine
Parkhaussünde, in der zweiten Reihe das abbruchreife
Weitere Kostenlose Bücher