Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
Gerichtsgebäude, ein
ehemaliges Schulhaus, zu dessen regelmäßigen Besuchern in diesen Tagen Heinrich
Kieber gehört. Das Treuhandbüro Dr. Dr. Batliner verwaltet mehrere Tausend
Stiftungen und sorgt, vom liechtensteinischen Gesellschaftsrecht dazu
verpflichtet, dafür, dass absolut niemand erfährt, wer welche Vermögenswerte in
die jeweilige Stiftung eingebracht hat und wer deren Nutznießer sind. Deutsche
Steuerfahnder spitzen bei den Reizwörtern »Stiftung« und »Liechtenstein« die
Ohren und vermuten – wie ihre Erfahrung lehrt – ein Steuerdelikt. In
Liechtenstein hingegen rühmt sich das Staatsoberhaupt Fürst Hans-Adam II. der
Steueroase inmitten der Steuerwüsten. Für rund hundertfünfzig Mandanten aus Deutschland
ist es mit der Publikation des Spiegel vorbei mit der Steueroase. Deutsche Zahnärzte,
Architekten, Unternehmer und Prominente wie der Springreiter Paul Schockemöhle
müssen sich auf den Besuch der Steuerfahndung einstellen.
Der Ursprung
des Datenlecks liegt in der Kündigung von Klaus L., einem Mitarbeiter mit einem
Alkoholproblem aus der EDV-Abteilung des Büros Batliner. Aus Rache kopiert der
Gekündigte die brisanten elektronischen Kundendaten vom System seines
Arbeitgebers.
Das Liechtensteiner Vaterland benennt daraufhin den Stein des Anstoßes: »Der eigentliche Skandal aus der
Sicht liechtensteinischer Treuhänder ist die Tatsache, dass ehemalige
Mitarbeiter dem deutschen Nachrichtenmagazin Geschäftsgeheimnisse preisgegeben
haben. Es geht nämlich keineswegs um Gelder, die nach liechtensteinischem Recht
in einem strafrechtlichen Zusammenhang stünden, sondern lediglich um normale
›Offshore‹-Gelder.« [96]
Der
bestohlene Herbert Batliner kann der Sache in einem Interview mit dem Spiegel aber
dennoch Gutes abgewinnen, schließlich ist schlechte Werbung auch Werbung: »Ich
sehe bisweilen die Fernsehsendungen mit Reich-Ranicki. Da werden ja oft Bücher
verteufelt und verrissen. Ich habe inzwischen erfahren, dass gerade diese Bücher
besonders oft gekauft werden.« [97] Für Treuhänder Batliner bleibt es unterm
Strich dennoch »eine der größten menschlichen Enttäuschungen meines Lebens,
dass ehemalige Mitarbeiter meines Hauses, die jahrelang mein Vertrauen besaßen,
Datenbestände entwendet haben. Wir überprüfen derzeit die Folgen und haben die
Sicherheitssysteme verschärft. Auch andere Treuunternehmen machen das jetzt.« [98]
Aber offenbar
nicht alle, wie sich bald zeigen wird.
Für Heinrich
Kieber hat derweil »die Verfolgung und Bestrafung« von Helmut R. und seiner
Frau Salud Priorität: »Ich habe all mein Denken,
meine Energie, meine Kraft und Zeit auf dieses Ziel konzentriert. Ich verfiel
in eine noch größere Schreibwut und nahm jede einzelne Aussage, die ich von den
Tätern hatte, unter die Lupe und stellte eine ausführliche schriftliche Mappe
zusammen, die über 1,6 Kilogramm wog. Darin zeigte ich dem Untersuchungsrichter
und der Staatsanwaltschaft die unzähligen Widersprüche auf.« [99] Die Verbissenheit, mit der Kieber in der Argentiniensache kämpft, verbirgt er
Außenstehenden gegenüber erfolgreich – genauso wie er seine unterschiedlichen
Lebenswelten in Spanien, Australien und Liechtenstein voneinander abschottet.
Nach außen hin ist Heinrich Kieber derselbe liebenswürdige fröhliche Kauz wie
immer.
Vermögensverwalter
Hubert Gärtner ist offenbar mit Kiebers Leistungen als Chauffeur für sich und
seine Rennpferde zufrieden und macht Kieber ein Angebot: »Für nur 700 Franken
pro Monat könne ich in eine Dreizimmerwohnung in einem Neubau in Balzers
einziehen, wenn ich ein Auge auf das Mehrfamilienhaus halte.« [100] Ab dem Frühjahr 1998 kümmert sich der mittlerweile 33-jährige Kieber um die
Anlage und führt Kaufinteressenten durch die Wohnungen. Das Mehrfamilienhaus
mit den sieben Wohnungen liegt in Balzers, der südlichsten Gemeinde
Liechtensteins, wo der Föhnwind so stark über die St. Luzisteig bläst,
dass die Dachpfannen gegen das Wegfliegen gesichert werden müssen.
Der luxuriös
ausgestattete Wohnblock, auf den Kieber aufpasst, liegt an der Neuen Churerstraße , am Fuße der 1 900 Meter hohen
Mittagspitze und nur wenige Hundert Meter von der kaum wahrnehmbaren Grenze zur
Schweiz entfernt. Entspannt sich Kieber am Pool auf der Dachterrasse, hört er
das Knattern von Maschinengewehren und den Einschlag von Granaten. In den
Militäranlagen der Schweizer Armee auf St. Luzisteig werden Rekruten
ausgebildet. »Ich lernte meinen neuen
Weitere Kostenlose Bücher