Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
Wohnort Balzers besser kennen und erlebte
dort sowie im Nachbarort Triesen neue, wunderbare Freundschaften. Von meinem
Drama in Argentinien sowie dem juristischen Kampf wussten sie alle nichts.« [101]
Einer seiner
neuen Freunde ist Michael Konzett, der aus Triesen stammt: »Henry kennt keine
Berührungsängste und geht offen auf die Leute zu. Wie sich die Begegnung damals
ergeben hat, weiß ich nicht mehr, vermutlich durch gemeinsame Bekannte. Er, ich
und andere Freunde sind oft ins Kino, auf ein Konzert oder spontan ins
Restaurant gegangen. Henry war kein Ausdauertyp. Meistens sank seine Formkurve
nach 22 Uhr. Ich denke, das hängt mit seinem Schnellsprechen zusammen. Das ist
ja auch eine Art Hochleistungssport, der ziemlich an den Kräften zehren kann.
Das war auch sein deutlichstes Merkmal: extrem schnell und viel zu erzählen.
Mit seinem Tempo hat er immer alle überfahren. Diese Eigenschaft hat sicher den
stärksten Eindruck auf die Leute gemacht. Dadurch hat man ihn auch unterschätzt
und ihn als Pausenclown abgetan oder nicht ganz ernst genommen. Dass dahinter
ein sehr intelligenter Kopf steckt, ist oft untergegangen.«
Kieber
richtet sich in Liechtenstein ein, genießt und pflegt sein soziales Umfeld,
fühlt sich im gemütlichen Dorf Balzers wohl und führt ein – für seine
Verhältnisse – durch und durch bürgerliches Leben. Im Sommer 1999 fällt ein
erstes Urteil im Zusammenhang mit der Argentiniensache – das Bezirksgericht
Feldkirch urteilt gegen den klagenden Helmut R. Der betrogene Helmut R. hatte
einen Prozess angestrengt, um die Freigabe des Vermögens zu erwirken, das bei
der Bawag -Bank blockiert wurde. Helmut R.s Antrag
wird vom Gericht mangels Rechtsanspruch auf das Geld abgewiesen. Einen
Rechtsanspruch auf die gesperrten Gelder, so das Gericht, könne Helmut R. erst
geltend machen, wenn er mit einer Zivilklage im Wohnsitzland Kiebers obsiegen
würde. Das Konto mit über 800.000 Schweizer Franken bleibt deshalb bis auf
weiteres gesperrt.
Wann immer
es das Wetter während des Sommers 1999 zulässt, ist Heinrich Kieber im
Schwimmbad Mühleholz in Vaduz, wo er im Fünfzig-Meter-Becken seinen täglichen
Kilometer schwimmt. Dass er neugierig ist und überall seine Nase hineinsteckt,
weiß auch das Personal des Freibads, und man erlaubt sich einen kleinen Scherz:
Auf Kiebers Dauerkarte steht statt seines Namens nur »Schwimmbadinspektor«.
Im Freibad
lässt Heinrich Kieber auch keinen Versuch aus, mit Frauen zu flirten. »Henry
hat sich sehr für Frauen interessiert und war auch recht charmant«, erzählt
Michael Konzett: »Er hatte seine Methoden, Leute auszufragen, und zwar in
kürzester Zeit. Danach wusste er genau, ob es sich lohnt, noch mehr Energie zu
investieren. Im Schwimmbad hat er natürlich zuerst die Figur taxiert. Und wenn
die gepasst hat und die Frau im Wasser war, ist er gleich zu ihr hingeschwommen
und hat sie nach ›Manfred‹ gefragt: Wie es dem Manfred gehe, er hätte ihn schon
lange nicht mehr gesehen, sie seien ja früher Arbeitskollegen gewesen, und sie
habe doch damals bei der Firma so und so gearbeitet. Bis die Frau irgendwann
verwirrt fragte: ›Sorry, aber wer ist Manfred?‹ Und Kieber darauf: ›Na, dein
Freund!‹ Worauf die Frau dann zum Beispiel antwortete, dass sie gar keinen
Freund habe und nicht bei der Firma so und so arbeite, sondern bei der Firma
XY; er müsse sie verwechseln. So sammelte er viele für ihn wertvolle
Informationen. Diese Infos hat er den völlig überrumpelten Frauen in zwei, drei
Minuten entlockt. Er wusste dann immer, wo er ein paar Tage später nachhaken
konnte. Aber so richtig geklappt hat es mit ihm und den Frauen nie. Einerseits
hatte er sehr hohe Ansprüche. Andererseits, interessierte sich dann wirklich
jemand für ihn, hat er meistens wieder einen Schritt zurück gemacht. Denn
eigentlich wollte er sich nicht festlegen oder binden.«
Auch Larissa
Kaufmann, die ehemalige Stewardess, die Kieber zu Swissair-Zeiten kennenlernte,
gehört zum Freundeskreis um Michael Konzett: »Ich hatte Heini nach Swissair aus
den Augen verloren. Und dann, schwups , war er
plötzlich wieder hier in Liechtenstein.«
Die
attraktive und sympathische Frau aus Balzers – blond, schlank und mit einem
gewinnenden Lächeln – passt perfekt in Heinrich Kiebers Beuteschema. Aber, hält
sie fest, »Heini war für mich ein Kumpel. Er ist lustig, amüsant, und ich habe
viel mit ihm gelacht. Er hat einen Humor, der mich anspricht. Es gab überhaupt
keine Basis,
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