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Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)

Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)

Titel: Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigvard Wohlwend
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mich bei der LGT via Conex zu bewerben.« [103] Denn mit Hilfe seiner berüchtigten Befragungsmethoden hat er von Karin Senti*
erfahren, dass Stellen bei der LGT Treuhand zu besetzen sind. Die junge Frau
ist Mitarbeiterin bei der LGT Treuhand und hat eine Wohnung an der Neuen Churerstraße 27 in Balzers bezogen – in dem Haus, in
dem Vermögensverwalter Hubert Gärtner Kieber günstig wohnen lässt, wofür dieser
im Wohnblock als Hauswart tätig ist.
    Als
aufmerksamen Hauswart hat Karin Senti Kieber allerdings nicht in Erinnerung:
»Ein Bein ausgerissen hat er sich jedenfalls nicht. Ich bin 1999 in die Wohnung
direkt unter Kieber eingezogen.« Der Hauswart bleibt ihr aus anderen Gründen im
Gedächtnis haften: »Es konnte vorkommen, dass er unangemeldet in meine Wohnung
platzte – einmal, da stand das Essen schon auf dem Tisch, da kam er rein und
griff in die Schüssel – einfach so. Er war schon ein komischer Vogel.«
    »Der Reiz
für mich lag bei diesem Job daran, abgesehen von einem Bombenlohn, dass es die
Möglichkeit zur Teilzeitarbeit gab«, schreibt Kieber. »Wie alle neuen
Mitarbeiter musste auch ich einen aktuellen Strafregisterauszug vorlegen.
Dieser war natürlich sauber, da ich keine Vorstrafen hatte. Weder dort noch
anderswo.« [104] Die von der Firma Conex befristet engagierten Mitarbeiter mussten dazu einen Auszug aus dem
Betreibungsregister – vergleichbar der deutschen Schufa-Auskunft – vorlegen und
wurden von der LGT-Compliance interviewt, bevor sie ihre Arbeit mit den
geheimen Kundendaten beginnen durften.
    Während
Kieber zusammen mit Studenten und Hausfrauen Tausende von Akten von
Heftklammern befreit und sie durch die Scanner jagt, bricht über Liechtensteins
Finanzplatz der nächste Skandal herein. Und wieder ist es der Spiegel , der
am 8. November 1999 Unerhörtes aus der diskreten Welt der
liechtensteinischen Treuhänder zu berichten weiß: »In den Giftschränken der
entscheidenden Ressorts des Schröder-Kabinetts liegt ein Dossier, das der
Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) ablieferte. Das Geheimpapier
liest sich, als sei die Schreckensvision aller seriösen Regierungen schon
Realität: Ein ganzes Land, mitten in Europa, soll sich den Kriminellen in aller
Welt als Handlanger andienen – eben das Fürstentum Liechtenstein.« [105]
    Die in der
BND-Akte erhobenen Vorwürfe, welche sich im Wesentlichen auf die Aussagen eines
in Deutschland verurteilten Anlagebetrügers stützen, sind drastisch: Der
ehemalige liechtensteinische Regierungschef Hans Brunhart habe Verbindungen zur
südamerikanischen Drogenmafia und organisiere Treffen mit deren Finanzmanager;
der abgetretene Polizeichef pflege Beziehungen mit dem kolumbianischen
Medellín-Kartell; liechtensteinische Richter begünstigten Verwandte.
Liechtenstein ist in heller Aufregung. Der BND-Bericht ist großes
Gesprächsthema an Küchen- und an Stammtischen – wie auch im Pausenraum der LGT
Treuhand, wo Heinrich Kieber seine Croissants isst.
    Die liechtensteinische
Regierung setzt mit dem Österreicher Kurt Spitzer einen Sonderstaatsanwalt ein,
der den Vorwürfen im BND-Bericht auf den Grund gehen soll. Bis es so weit ist,
nutzt Fürst Hans-Adam die Gunst der Stunde und instrumentalisiert die Krise, um
den Umbau des Staates nach seinen Vorstellungen voranzutreiben. Dazu muss er
nur weiter die Politik diskreditieren – und kann so, wieder einmal, genüsslich
Rache nehmen für die Demütigung aus dem Jahr 1992, als er von seinen Untertanen
ausgepfiffen wurde und sich Regierung und Parlament beugen musste. Ganz
unverblümt schimpft der Monarch nun Regierungsmitglieder und
Parlamentsabgeordnete Oligarchen und droht damit, die Regierung zu entlassen
und Notrecht auszurufen. Er könne doch »nicht einmal ausschließen, dass der
Regierungschef mit dem organisierten Verbrechen zusammenarbeitet«, lässt er das
Schweizer Boulevardblatt Blick wissen. [106] Damit schwächt der Fürst bewusst die
Position der Regierung, die seinen Verfassungsvorschlägen nichts abgewinnen
kann.
    Bei seiner
alljährlichen Thronrede vor dem Parlament im Februar 2000 fordert Fürst
Hans-Adam ultimativ die Änderung der liechtensteinischen Verfassung nach seinen
Wünschen. Mit einer neuen Verfassung aus seiner Feder würden dem Volk mehr
Rechte eingeräumt und der demokratische Rechtsstaat gestärkt. Eine der
zentralen Forderungen des Fürsten: Die Justiz müsse von der Politik
unabhängiger werden. Darum solle künftig der Monarch die Richter wählen:

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