Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
freundschaftliche Beziehung aufgebaut. Dass er
Helmut R. verklagt hat, erzählt Heinrich Kieber wiederum in einer modifizierten
Fassung: »Henry habe bei diesem Deutschen auf einem Boot gewohnt. Der habe dann
wegen einer Immobilienkrise Geldprobleme gekriegt. Henry habe ihm daraufhin
Geld geliehen, welches dieser nicht zurückzahlte. Bis dann ein Anruf des
Deutschen aus Argentinien gekommen sei, wonach der seine Farm verkaufe. Henry
kriege sein Geld, er müsse es aber abholen. Als er dann in Argentinien
angekommen sei, hätten sie ihn gefesselt und anschließend aufgeschlitzt, so dass
er seine Kontonummer preisgegeben habe.«
Am
23. Oktober 2001 fällt Landrichter Uwe Öhri das Urteil in der Zivilsache
Helmut R. gegen Heinrich Kieber. »Da erlebte ich Henry zum ersten Mal in einem
wirklichen Stimmungstief«, sagt Sandro Bertini. »Auf meine Frage am Telefon wie
es ihm gehe, antwortete er: ›Ganz schlecht.‹ Er habe soeben vor Gericht
verloren, und jetzt verlange sein Anwalt auch noch mehr Geld. Ich solle ihn in
Ruhe lassen, er wolle eine Woche allein sein.«
»Im Namen
Seiner Durchlaucht des Landesfürsten!« wird Heinrich Kieber zur Zahlung des
Kaufpreises der Wohnung von 63 Millionen Peseten verurteilt, zuzüglich fünf
Prozent Zinsen jährlich, rückwirkend zu zahlen ab 1996: insgesamt also fast
800.000 Schweizer Franken. Zusätzlich muss Kieber die Kosten des Verfahrens in
Höhe von 100.000 Franken übernehmen. – »Natürlich bin ich mit dem Urteil vom
Erstgericht sofort in Berufung gegangen.«
Kiebers
Anzeige gegen Helmut R. und Mariano M. wiederum kommt mehr als vier Jahre nach
der Argentinienreise nicht mehr recht vom Fleck. Da helfen auch seine
kiloschweren Eingaben und regelmäßigen Besuche bei Gericht und
Staatsanwaltschaft nichts. Heinrich Kieber ist nicht glaubwürdig. Sein größtes
Manko hat schon das Zivilgericht im soeben gesprochenen Urteil angeführt,
nämlich dass Kieber 1996 sowohl in Barcelona als auch auf Mallorca Betrügereien
begangen haben soll: »Das Ganze mag nun für den Beklagten ein unglückseliger
Zufall sein, jedenfalls leidet aber seine Glaubwürdigkeit erheblich, wurden
doch in beiden spanischen Strafverfahren gegen ihn immerhin internationale
Haftbefehle erlassen.«
Ein scheinbar ebenso
unglückseliger Zufall ereignet sich im selben Jahr im Hinterzimmer eines
Geschäftes, das irgendwo in Liechtenstein liegt. Geführt wird der Laden von
Jonas und Charlotte Berger*. Das Ehepaar Berger und Heinrich Kieber kennen sich
seit der Jahrtausendwende von gemeinsamen Bekannten, und es entsteht so etwas
wie Freundschaft. »Henry konnte immer wieder unangemeldet im Verkaufslokal
auftauchen, dann haben wir ein bisschen miteinander geplaudert, wenn keine
Kunden da waren«, sagt Jonas Berger. »Öfters hat er darum gebeten, im Büro
hinten etwas im Internet recherchieren zu dürfen. Er selbst hatte ja keinen
Internetanschluss. Das war für uns überhaupt kein Problem, dass er da hinten
vor dem Computer saß, während wir die Kunden bedienten. Er war ja ein guter
Freund von uns.«
Im Büro
steht Bergers Tresor, in dem auch mal größere Bargeldbeträge zwischengelagert
werden. Sind Herr oder Frau Berger im Laden, wird der Tresor nicht immer
abgeschlossen, denn Angestellte haben sie keine. »An einem Tag hatten wir
10.000 Franken im Safe liegen – und die fehlten plötzlich. Meine Frau und ich
fragten uns, wo das Geld geblieben sei, und wir haben den Tag im Detail
rekonstruiert. Der Einzige, der an dem Tag außer mir oder Charlotte im Büro
gewesen war, war Henry. Wir haben ihn zur Rede gestellt, aber er hat den
Diebstahl kategorisch abgestritten.«
Bergers
zeigen Kieber bei der Polizei an. Daraufhin erhalten sie anonyme Post. »Meine Frau
war zu der Zeit schwerkrank und es war nicht klar, ob sie die Krankheit
überleben wird. Der Briefeschreiber hat ihr darin den Tod gewünscht.« Die
Voruntersuchung der Staatsanwaltschaft gegen Heinrich Kieber wegen des
angezeigten Diebstahls wird eingestellt. »Es gab keinen Beweis«, so Jonas
Berger, »keine Fingerabdrücke auf dem Tresor, die ihn als Täter hätten
überführen können.«
Nach außen hin ist Kieber,
nachdem er sich von der Niederlage im Zivilprozess gegen Helmut R. erholt hat,
ganz der Alte. Er geht seiner Arbeit bei der LGT Treuhand nach, trifft sich in
der Freizeit mit seinen Freunden und kämpft weiter an der juristischen Front –
seit seiner Niederlage in der Spaniensache, in der er zur Zahlung von rund
800.000 Franken
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