Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
der
Premiere des Musicals Joseph am 2. September 2000 erhalten Heinrich Kieber, Emanuel Nipp, Ernst Walch
und die vielen anderen Darsteller den Lohn für ein halbes Jahr intensiver Proben,
wie der Berichterstatter des Liechtensteiner Vaterlandes festhält: »Als sich der
Vorhang nach zweieinhalb Stunden senkte, geriet das mehr und mehr aus dem
Häuschen geratene Publikum schier in Ekstase. Nach dem Showdown gab’s Blumen
für die Hauptakteure, unter dem Jubel der Gäste mit Küsschen für die
Landesfürstin, die ebenso wie Fürst Hans-Adam II. den Abend begeistert verfolgt
hat.«
Und noch ein
weiteres Mal tritt Kieber in diesem Sommer vor Publikum in Erscheinung. Im Juni
2000 öffnet die Expo in Hannover ihre Tore. Zum ersten Mal seit Brüssel 1958
ist das kleine Fürstentum wieder an einer Weltausstellung beteiligt. Mit der
lange vor dem Ausbruch der BND- Spiegel -Affäre beschlossenen Teilnahme an der Expo
Hannover sollte Liechtensteins Bild in der Welt und insbesondere in Deutschland
poliert werden – allerdings haben die Verantwortlichen Zweifel, ob das in der
angespannten Situation überhaupt gelingen kann. Wenig erstaunlich, müssen sich
die Angestellten des Liechtenstein-Pavillons bissige Fragen gefallen lassen:
»Erlaubt die Expo so ohne weiteres, dass Sie hier für Ihre Geldwaschanlage
Werbung machen?« Oder: »Wie ist es möglich, dass ein kriminelles Land wie
Liechtenstein einen Pavillon an der Expo hat?« [118]
Liechtenstein
präsentiert sich der Welt in Hannover mit einem sieben Meter hohen, weiß
leuchtenden Quader mit dreizehn Meter Kantenlänge – dem »Liechtenstein«. Die
Innenwände des »Liechtensteins« sind mit 300 überlebensgroßen Porträts von
Liechtensteinern ausgekleidet. Die Pavillonbesucher werden sozusagen von einem
knappen Prozent der Bevölkerung des Fürstentums begrüßt, darunter Fürst
Hans-Adam – und Heinrich Kieber.
Kieber,
zufrieden von der hinterleuchteten Wand in Hannover lächelnd, im Kreise seiner
Landsleute. Der Rastlose, so erweckt es den Anschein, ist dabei, zur Ruhe zu
kommen.
Aber seinen
Fall verliert er nicht aus den Augen. Nachdem Sonderstaatsanwalt Kurt Spitzer
seinen Abschlussbericht im August 2000 vorgelegt hat, in dem er den schwachbrüstigen Justizapparat Liechtensteins
und die in vielen Fällen mehrere Jahre lange Verfahrensdauer bemängelt, gibt er
wie geplant sein Amt ab. Die liechtensteinische Regierung wählt den Tiroler
Robert Wallner zum neuen Leitenden Staatsanwalt im Fürstentum Liechtenstein. Er
tritt sein Amt am 1. September 2000 an und führt die Arbeit Spitzers fort.
Am Tag danach öffnet die Liechtensteinische Industrie-, Handels- und
Gewerbeausstellung (LIHGA) in Schaan für zehn Tage ihre Tore. Während der Messewoche
führt die lokale Radiostation auf der Bühne des großen Ausstellungszelts
Live-Interviews vor Publikum durch. Einer der Interviewgäste ist der soeben
ernannte Leitende Staatsanwalt Wallner: »Ich habe Radio Liechtenstein während der
LIHGA ein am Vortag angekündigtes Interview gegeben. Wie ich von der Bühne
runterkam, ist ein größerer, etwas aufgeregter, aber doch höflicher Mann auf
mich zugekommen und hat sich als Heinrich Kieber vorgestellt. Ihm sei großes
Unrecht geschehen, und ich möge ihm helfen. Dass jemand so auf einen zukommt,
kommt nur ganz selten vor.«
Als einen
»emotionalen Dämpfer« empfindet Kieber den unerwarteten Tod seines Vaters
Anfang 2001. »Ein Jahr zuvor erhielt er die Diagnose Krebs. Ich hatte nie eine
sehr innige Beziehung zu ihm, aber seit meiner Rückkehr aus Südamerika sahen
wir uns regelmäßig, jeden Monat drei- oder viermal. Wir gingen essen oder
einfach einen Kaffee trinken.« [119] Mit dem Tod des Vaters hat Heinrich
Kieber keine engen Angehörigen mehr in Liechtenstein, auf die er in irgendeiner
Form Rücksicht nehmen müsste. Seine Mutter sowie seine beiden Schwestern leben
im Ausland.
Währenddessen
gerät Kiebers Gönner Hubert Gärtner in Schwierigkeiten. Ende September 2000 hat
Vermögensverwalter Gärtner bei fünf Stiftungen, bei denen er als Stiftungsrat
fungiert und zeichnungsberechtigt ist, sechs Millionen Schweizer Franken
abgehoben, um damit ein Loch bei einer sechsten Stiftung zu stopfen. Bei dieser
sechsten Stiftung hat Gärtner Millionenbeträge veruntreut – auch um damit
seinen kostspieligen Lebensunterhalt zu bestreiten, darunter eine
45.000-Franken-Reise mit seinen Kindern aus erster Ehe nach Amerika und
Helikopterflüge von Liechtenstein aus nach
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