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Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)

Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)

Titel: Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigvard Wohlwend
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in
den kommenden Monaten die ganze Geschichte beichtet, »Henry hat die Gegenseite
natürlich verstehen lassen, dass seine finanzielle Situation angespannt sei und
er ein kleines Startkapital für seinen Neustart in Australien nicht verschmähen
würde.«
    Was der
Kriminalpsychologe nicht weiß: Sein Forschungsobjekt bereitet sich gewissenhaft
auf die regelmäßigen Treffen mit Müller vor, sagt Kiebers Freund Niederer:
»Henry hatte eine Saufreude daran, dass der berühmte Müller ihn betreute.
Gleichzeitig wusste er, dass der Kriminalpsychologe ihn ständig ins Kreuzverhör
nimmt. Um gewappnet zu sein, hat Henry jeweils vor den Treffen mit Müller seine
Antworten und sein Verhalten vor dem Spiegel geübt.« Heinrich Kieber spielt
vergnügt Thomas Müllers Spiel mit.
    Nach
unzähligen Gesprächen mit Kieber gibt Thomas Müller schließlich Entwarnung. In
der Task-Force atmet man ob der Analyse des Kriminalpsychologen auf, »dass
keine Bedrohung mehr gegeben sei«. [160] Aber ist Kriminalpsychologe Müller
wirklich der richtige Mann, um Kiebers Psyche zu beurteilen? Krankhafte
Auffälligkeiten festzustellen und daraus eine Gefährlichkeitsprognose
abzuleiten gehört nicht zum Tätigkeitsfeld des Kriminalpsychologen, gibt Thomas
Müller selbst zu: »Das fällt in die Disziplin der forensischen Psychiatrie.« [161]
    Weiß die
Task-Force, weiß Thomas Müller überhaupt, mit wem sie es zu tun haben? Kennen
sie zu diesem Zeitpunkt Kiebers Vorleben? Wohl kaum. Es wäre die Aufgabe der
Task-Force gewesen, sich sofort nach Bekanntwerden der Erpressung im Januar
2003 ein umfassendes Bild von ihrem Gegenüber zu machen und seine Vergangenheit
gründlich zu durchforsten. Weshalb erteilt die LGT mit ihren schier grenzenlosen
Ressourcen nicht einer international vernetzten Detektei den Auftrag, ein
Profil von Kieber zu erarbeiten? Eine Detektei, mit entsprechenden finanziellen
und personellen Mitteln ausgestattet, hätte das Bild binnen Wochen
zusammengepuzzelt. Sie hätte ihrem Auftraggeber berichtet, dass Kieber von der
neuseeländischen Polizei gesucht wird, dass er seine Landlady in Sydney betrogen hat, in München einen Jeep gestohlen hat, in Australien zum
Schein verheiratet war, einen Versicherungsbetrug anzettelte und mit dem Zoll
im Clinch lag, dass er auf Mallorca ein zweites merkwürdiges Immobiliengeschäft
mit Verbindungen nach Gibraltar abgewickelt hat. Mit diesem Wissen hätten der
Fürst und die Task-Force die Aussagen des Kriminalpsychologen über die angebliche
Glaubwürdigkeit des Hochstaplers und Betrügers Heinrich Kieber wohl kaum für
bare Münze genommen.
    Da der Fürst
und die Task-Force aufgrund von Thomas Müllers Analyse davon ausgehen, dass
Kieber keine Gefahr mehr darstellt, rückt die Frage in den Hintergrund, ob man
die Kunden der LGT Treuhand über den Datendiebstahl informieren sollte – oder
ob die Kunden gar einen Rechtsanspruch darauf hätten, informiert zu werden.
Informieren ja oder nein? Dazwischen gibt es nichts. Für den Fürsten und die
Task-Force ist klar: Wenn sie all ihre Treuhandkunden informierten, dass
hochsensible Daten – aus welchen Gründen auch immer – auf Wanderschaft seien,
würden viele von ihnen umgehend Selbstanzeige erstatten und danach ihre Gelder
von der LGT Treuhand abziehen. Die Geschäfte würden massiv einbrechen.
Schlimmer noch ist für die LGT-Verantwortlichen der Gedanke, dass eine
Kundeninformation über kurz oder lang an die Medien durchsickern würde und die
interessierte Öffentlichkeit davon erführe, dass die vermeintlich so vertrauenswürdige
LGT Treuhand leckt wie ein Sieb.
    Eine weitere
Überlegung der Task-Force: Wie würde Kieber reagieren, bekäme er Wind davon,
dass die LGT hinter den Kulissen präventiv Schadensbegrenzung betriebe? Könnte
dies den Erpresser doch noch dazu veranlassen, seine Drohung wahr zu machen,
die LGT-Kundendaten deutschen und amerikanischen Behörden zuzuspielen?
    Schließlich
liegt es am Alleinaktionär der LGT Group, eine Entscheidung zu treffen, wie
Nicola Feuerstein, der damalige Geschäftsführer der LGT Treuhand, 2011 vor
Gericht aussagt: »Wenn es um große strategische Fragen ging, gab es schon
Gespräche mit dem Fürstenhaus. Die Frage, ob die Kunden informiert werden
sollen, würde ich eher als strategische Frage bezeichnen.« Dem Fürsten stehen
im Hinblick auf Kundeninformation folgende zwei Optionen zur Auswahl, erstens:
das Prinzip Hoffnung. Man nimmt Kieber ab, dass er keine Kopie mehr hat
respektive dass

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