Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
Fall so, dass Kieber im
Grunde genommen Probleme hatte und wir die im Wesentlichen gelöst hatten und
uns geeinigt haben, dass er den Gerichten zugeführt wird und dass er danach das
Land verlassen wird und die Daten herausgibt.« [156]
Ein kleiner
Erfolg ist es für Kieber, dass der französische Adelige Henri E. C., dem
Kieber die Aktien der gibraltarischen Gesellschaft Lyonsia und damit die Luxuswohnung am Hafen von Mallorca für ein Butterbrot abgenommen
hatte, seine Anzeige zurückzieht. Zu vage scheinen Henri E. C. die
Erfolgsaussichten, um gegen Kiebers raffiniert eingefädelten Deal anzukommen –
und obendrein hat er keine Lust darauf, sich gegenüber dem französischen Fiskus
wegen der Wohnung auf Palma erklären zu müssen.
Was den
Wohnungsbetrug in Barcelona angeht, übernimmt die liechtensteinische
Staatsanwaltschaft die Verfolgung Kiebers von ihren spanischen Kollegen, da Kieber
als liechtensteinischer Staatsangehöriger ohnehin nicht nach Spanien
ausgeliefert werden kann. Die Liste der Verbrechen und Vergehen, die die
Staatsanwaltschaft Kieber vorwirft, ist lang: schwerer Betrug (Wohnung in
Barcelona), gefährliche Drohung gegen den Landesfürsten (Erpressung), versuchte
schwere Nötigung (Erpressung), Auskundschaften eines Geschäftsgeheimnisses
zugunsten des Auslandes (angedrohte Weitergabe der LGT-Daten an BND, Spiegel etc.), Datenbeschädigung (Datenklau) und Urkundenunterdrückung (gestohlene
Originaldokumente). Allein für den schweren Betrug mit »besonders großem
Schaden« wie auch für die gefährliche Drohung gegen den Landesfürsten sieht das
liechtensteinische Strafgesetzbuch Strafmaße von jeweils einem bis zu zehn
Jahren vor.
Mit der
Verteidigung von Heinrich Kieber ist der Österreicher Wolfgang Müller
beauftragt, der seit vielen Jahren in Liechtenstein als Rechtsanwalt arbeitet.
Ein berühmter Klient, den Müller vertritt, ist der liechtensteinische
Treuhänder Herbert Batliner, dem 1997 unter anderem die geheimen Kundendaten
von Springreiter Paul Schockemöhle abhanden gekommen waren. Schockemöhle verklagte daraufhin in Liechtenstein seinen ehemaligen
Treuhänder auf 16 Millionen Euro Schadenersatz. [157] 2004 wird der Oberste Gerichtshof Liechtensteins die Klage Schockemöhles letztinstanzlich abweisen und feststellen, dass
liechtensteinische Treuhänder für Steuerschulden und Steuerstrafen ihrer Kunden
schadenersatzrechtlich nicht haften.
Wolfgang
Müller hat das Mandat Kieber auf Ersuchen der LGT übernommen, als der noch im
Ausland mit seinem Namensvetter, dem Kriminalpsychologen Thomas Müller, über
die Konditionen der Rückkehr verhandelte. Kiebers Verteidiger hat »den sehr
bestimmten Eindruck, dass Heinrich Kieber unter das, was er bis dahin getan
hatte, wirklich einen Schlussstrich ziehen wollte, um als freier Mann das Land
wieder verlassen zu können. Sein ganzes Bestreben ging dahin, wieder nach
Australien zurückkehren zu können.«
Obschon man
grundsätzlich handelseinig ist und einen Weg sucht, Kiebers Traum von
Australien im Austausch gegen die gestohlenen Daten zu verwirklichen, treibt
die LGT-Task-Force eine zentrale Frage um: Wie kann sie Gewissheit erhalten,
dass Kieber nicht doch eine Kopie der umfangreichen Treuhanddatenbank
zurückbehält? Der Aufwand, die elektronischen Daten von einer Festplatte auf
eine andere umzukopieren, ist minimal – und hinterlässt keinerlei Spuren.
Die
Task-Force vertraut in dieser Frage auf die Künste des Star-Psychologen Thomas
Müller, wie Nicola Feuerstein, der damalige Geschäftsführer der LGT Treuhand,
später aussagt: »Müller hat damals den ganzen Prozess begleitet und betreut.
Seine Meinung war wesentlich für die Einschätzung der Bedrohung.« [158] Thomas Müller arbeitet intensiv mit Kieber und versucht auszuloten, ob Kieber –
trotz seiner vordergründigen Kooperationsbereitschaft – nicht vielleicht doch
etwas im Schilde führt. Denn auch Kriminalpsychologe Müller weiß: »Die Tarnung,
die Täuschung, die Lüge, das hat kein Gesicht.« [159] Immer wieder drängt er Kieber dazu, endlich die Summe zu nennen, die er für die
Daten haben wolle. Kieber gibt sich empört und verneint, dass er Geld vom
Fürsten wolle. Er sei doch kein Erpresser, kein primitiver Krimineller. Wie
Kieber zum Fürstenhaus stehe, will der Kriminalpsychologe wissen. Kieber
beteuert Mal für Mal, dass er dem Fürstenhaus nicht schaden wolle, sondern nur
sein Problem gelöst wissen möchte. »Aber«, sagt Klaus Niederer, dem Kieber
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