Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
Anwälte melden
sich umgehend bei der LGT und wollen wissen, wo die undichte Stelle sei. In
Vaduz wird in Abrede gestellt, dass irgendwelche geheimen Informationen aus den
Tiefen der LGT in Umlauf sein könnten.
Schon im
Sommer 2007 hatte das australische ATO mit einer Untersuchung der Luperla -Stiftung begonnen. Allein der Fall Lowy könnte, so die Rechnung Kiebers, in den USA zu
Steuernachzahlungen und Bußgeldern im siebenstelligen Bereich führen – und er
partizipiert daran prozentual. So praktisch und verführerisch das IRS- Whistleblower -Programm auf den ersten Blick erscheint,
ausbezahlt werden die Belohnungen erst dann, wenn die einzelnen Fälle jeweils
rechtskräftig abgeschlossen und die Außenstände beim Steuersünder eingetrieben
sind. Dazu kommt: Es liegt im Ermessen des IRS, die Höhe der Belohnung–
zwischen 15 und 30 Prozent – festzulegen. Gegen die vorgeschlagene Höhe der
Prämie des IRS kann der Whistleblower Einspruch beim
US-Steuergerichtshof erheben. Insgesamt kann die amerikanische Steuerbehörde
dank Kiebers Informationen in 147 Fällen [193] gegen US-Bürger wegen mutmaßlicher Steuerhinterziehung vorgehen. Das heißt, 147
Mal kann es zu Differenzen bezüglich der Höhe der Belohnung kommen – und es
kann noch Jahre dauern, bis das Geld tatsächlich fließt.
Aber man
weiß ja nie: Deshalb eröffnet Kieber 2007 auf seinen Namen bei der Bank of America das Konto mit der
Nummer 2335741271. Am 15. August betrug der Saldo noch bescheidene 2.310
US-Dollar. Um seine finanziellen Ansprüche gegenüber dem Staat geltend zu
machen und sich nicht im Dickicht der Paragrafen zu verlieren, sichert sich
Kieber Unterstützung. Er engagiert den Anwalt Jack A. Blum, der sich bei der
Washingtoner Kanzlei Baker & Hostetler schwerpunktmäßig mit Finanzdelikten beschäftigt.
Während
Heinrich Kieber kreuz und quer in der Welt herumjettet, hält er telefonisch
Kontakt mit seinem guten Freund Sandro Bertini in Liechtenstein: »Einmal hieß
es, er sei in San Francisco und arbeite bei einer Bank. Dann meldete er sich
aus Bali – zumindest behauptete er, er sei dort. Er mache Urlaub.« Auch Michael
Konzett hört von ihm: »Das war vielleicht zwei, drei Monate, bevor der Skandal
aufflog. Da rief er an und sagte, er sei in Dubai und arbeite als
Englischlehrer für eine amerikanische Firma. Deren arabische Mitarbeiter müsse
er auf ein Grundlevel bringen, und er erzählte lebhaft, was er da alles erlebe
und wie die Ovomaltine schmecke.«
Anfang
Februar 2008 ist die Chefetage der LGT in heller Aufregung. Die britischen
Steuerbehörden haben sie wissen lassen, dass Großbritannien im Besitz von Daten
britischer LGT-Kunden ist. Zwei Tage später sitzt LGT Group-CEO Max von
Liechtenstein, zweitältester Sohn von Fürst Hans-Adam, zusammen mit seinen
Geschäftsleitungskollegen im Flieger nach London, um mit Dave Hartnett , Commissioner von HM
Revenue & Customs , zu sondieren, was
noch zu retten ist. Wenn überhaupt irgendetwas zu retten ist. Denn was ihnen
die britischen Steuerfahnder erzählen, zieht den Bankern aus Liechtenstein den
Boden unter den Füßen weg: Nicht nur Großbritannien, auch andere europäische
Länder seien im Besitz der LGT-Datenbank.
Obwohl sie
Dave Hartnett ein vorläufiges Stillhalteabkommen
abringen können, ist der LGT-Delegation schlagartig klar: Da rollt etwas ganz
gewaltig Großes auf das kleine Fürstentum zu.
10. Das Ende des Bankgeheimnisses ‒ Nach
dem 14. Februar 2008
Während im feinen Kölner
Quartier Marienburg die Polizei alle Mühe hat, die Medienmeute zu bändigen, die
vor der Villa von Post-Chef Klaus Zumwinkel um die beste Kameraposition kämpft,
präsentiert Liechtensteins Regierungschef Otmar Hasler zusammen mit dem
stellvertretenden Regierungschef Klaus Tschütscher den Journalisten zu Hause in
Liechtenstein das Projekt Futuro – ihre »Vision für
den Finanzplatz Liechtenstein«.
Nachdem die
beiden Regierungsmitglieder den Medien Futuro vorgestellt haben, wartet ein weiterer Pflichttermin auf die beiden: Fürst
Hans-Adam feiert an diesem Donnerstag seinen 63. Geburtstag und hat, wie
jedes Jahr, Vertreter des öffentlichen Lebens in Liechtenstein zum Empfang
geladen. Dass die deutschen Medien seit dem Vormittag flächendeckend über die
vermuteten Millionen von Post-Chef Zumwinkel in einer liechtensteinischen
Stiftung berichten, hat auch die aus Politikern, Richtern, Klerikern und
Mitgliedern der Fürstenfamilie bestehende Runde auf Schloss
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