Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
fiskalische Interessen nicht über
rechtsstaatliche Prinzipien gestellt werden.« Dass die gepriesenen
rechtsstaatlichen Prinzipien Liechtensteins bei der Verurteilung Kiebers im
Jahr 2004 in den Hintergrund zu treten hatten, erwähnt der Erbprinz
wohlweislich nicht.
Die Frage,
ob der deutsche Staat mit dem Erwerb der gestohlenen Daten Hehlerei begangen
habe, ist bei deutschen Juristen und Politikern umstritten – wobei die
Befürworter des Ankaufs deutlich in der Mehrheit sind. Ein betroffenes Ehepaar
legt gegen eine durchgeführte Wohnungsdurchsuchung Verfassungsbeschwerde ein,
da die Verwertung der von Kieber gestohlenen Daten gegen deutsches Recht
verstoße. Das Bundesverfassungsgericht schafft im November 2010 mit der
Ablehnung der Beschwerde endgültig Klarheit: Die Daten dürfen verwendet werden,
auch wenn eine Privatperson sie sich ursprünglich widerrechtlich angeeignet
habe.
Das Wall Street Journal lüftet am 19. Februar als Erstes die Identität des BND-Spitzels. In
Liechtenstein will man nicht wahrhaben, dass der Verräter einer der Ihren sein
soll. Erst recht nicht, dass es ausgerechnet dem weithin bekannten, an
Sprech-Durchfall leidenden Zappelphilipp Heinrich Kieber gelungen sein soll,
eine Datenbank mit dem kompletten Kundenstamm der fürstlichen Treuhandfirma zu
stehlen. Im Nu schießen Verschwörungstheorien ins Kraut: Kieber sei vom BND als
Maulwurf in die Firma eingeschleust worden, er habe das nicht allein stemmen
können, ein pädophiles Kadermitglied der LGT sei vom BND erpresst worden,
Kieber werde als Sündenbock geopfert, damit der wahre Verräter bei der LGT
nicht auffliege …
Einig ist
man sich in Liechtenstein hingegen darin, dass es kaum ein Zufall sein kann,
dass die deutschen Behörden dem Fürsten mit der Verhaftung Zumwinkels den
Geburtstag verhagelten. Diese Sichtweise wird mit der Aussage des Fürsten
gegenüber Radio Liechtenstein sogar Staatsdoktrin: Es habe sich um einen
»gezielten und sorgfältigst vorbereiteten Angriff« [195] gehandelt. Dass Regierungschef Otmar Hasler am 20. Februar zu einem seit
langem geplanten Besuch bei Kanzlerin Angela Merkel in Berlin weilt, macht die
Sache nicht besser. Die »Medienkampagne« diene nur dazu, so die vorherrschende
Meinung im bedrängten Fürstentum, den Druck auf den Besucher aus Liechtenstein
zu erhöhen.
In der
aufgeheizten Stimmung versucht Regierungschef Hasler in Berlin den versammelten
Hauptstadtmedien zu vermitteln, dass Liechtenstein seit der BND- Spiegel -Affäre
vor acht Jahren sehr wohl Lehren gezogen habe und etwa ein
Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU und Rechtshilfeabkommen mit den USA
abgeschlossen sowie das Rechtshilfegesetz revidiert habe. Des Weiteren stehe
Liechtenstein – unabhängig von der LGT-Affäre – kurz vor dem Abschluss eines
Betrugsabkommens mit der EU, und mit den USA verhandle Liechtenstein über ein
Steuerinformationsabkommen. Aber, fügt Hasler an, das Instrument der diskreten
liechtensteinischen Stiftung stehe nicht zur Diskussion.
Die
liechtensteinische Hoffnung, dass die Empörungswelle rasch wieder abebbe, ist
vergebens. Erstklassige Quellen in deutschen Behörden versorgen die Medien
tagtäglich mit pikanten Details über Heinrich Kiebers Deal mit dem BND. Am
24. Februar verkündet endlich auch die LGT »zur Täterschaft und zum
Hergang im Einzelnen« und zum Volumen der gestohlenen Daten: »Sie betreffen
ungefähr 1 400 Kundenbeziehungen. Davon ist der größte Teil, gegen 600
Kunden, in Deutschland wohnhaft. Bei der in den Medien kursierenden Zahl von
4 527 Datensätzen handelt es sich exakt um die Anzahl der Begünstigten
aller Stiftungen.«
Nachdem sein
Name in den Medien genannt worden ist, fühlt Heinrich Kieber sich offenbar
verfolgt. Jedenfalls halten die australischen Behörden fest, er habe letztmals
am 23. Februar Australien verlassen. Ob Heinrich Kieber tatsächlich das
Land verlassen hat oder ob er sich lediglich am Flughafen bei der Passkontrolle
mit seinem liechtensteinischen Reisepass »offiziell« aus Australien abmeldete,
um kurz darauf wieder mit neuen Papieren und neuem Namen einzureisen, ist
offen.
Wie Spiegel und Focus übereinstimmend berichten, meldet sich Kieber wenige Tage nach der Durchsuchung
bei Klaus Zumwinkel beim BND und beklagt, dass er enttarnt worden sei und um
sein Leben fürchte [196] . Er wolle abermals eine neue Identität,
schreibt der Spiegel . Focus zufolge sei Kieber aus Australien nach Europa zurückgekehrt und habe
Nachforderungen
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