Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste (German Edition)
über zugesicherte Jahresboni. Bis 2005 herrscht
Einvernehmen. Dann hält die UBS Birkenfeld vor, die gesteckten Ziele nicht
erreicht zu haben. Er habe in den vergangenen Jahren neben Olenicoff keine neuen reichen Kunden zur Bank gelotst. Birkenfeld müsse deshalb mit einer
Kürzung seines Bonus rechnen.
Bradley
Birkenfeld lässt sich das nicht gefallen, zieht Olenicoffs Vermögen bei der UBS ab, beschwert sich sodann bankintern über die unsauberen
Methoden, die die Bank bei ihrem USA-Geschäft anwende, und kündigt schließlich
im Herbst 2005. Die UBS streicht Birkenfeld den Bonus, worauf sich die beiden
Parteien vor dem Arbeitsgericht wiedertreffen. Um seine Verhandlungsposition zu
stärken, schickt Birkenfeld dem Chefjustiziar der UBS einen Brief, in dem er
ankündigt, als Whistleblower die betrügerische Praxis
der Bank öffentlich anzuprangern, weil niemand innerhalb der Bank seine
diesbezüglichen Hinweise zur Kenntnis nehme. Daraufhin gelobt die UBS
Besserung, wichtiger aber ist noch: Sie zahlt Birkenfeld den gestrichenen Bonus
nach und hofft, die Sache sei damit aus der Welt.
Weit gefehlt:
2007 legt Birkenfeld den US-Behörden interne Weisungen der UBS vor, wie sich
Kundenberater in den USA zu verhalten hätten, damit sie sich nicht verdächtig
machen bei ihren unsauberen Geschäften mit US-Kunden, berichtet über getarnte
Geschäftsreisen und legt Listen mit den Namen der USA-Verantwortlichen
innerhalb der Bank vor. Was er jedoch nicht verrät, ist, dass er selbst früher
für seinen Klienten Olenicoff riesige Summen vor dem
IRS versteckte. Dass Birkenfeld seine undurchsichtige Rolle in der Affäre nicht
offenlegt, wird ihn später ins Gefängnis bringen. Denn im selben Jahr 2007
bringt Olenicoff sein Vermögen zurück in die USA,
zahlt über 50 Millionen Dollar an Steuern und Strafe – und erzählt den
Behörden, wie Birkenfeld ihm beim Betrügen des Fiskus unterstützt habe.
Mit Hilfe
von Bradley Birkenfeld und Heinrich Kieber haben die US-Behörden erstmals
überhaupt einen detaillierten Einblick in die Praktiken von Finanzunternehmen
aus den Offshore-Paradiesen Liechtenstein und der Schweiz erhalten und setzen
die beiden Länder nun massiv unter Druck. Vertreter der UBS geloben vor dem
Senatsausschuss Besserung und erklären sich bereit, die Verantwortung für ihr
Tun zu übernehmen. Die LGT schickt keinen Vertreter zum Hearing in Washington.
»Vielleicht«, mutmaßt Senator Carl Levin, »weil solche Praktiken einfach nicht
zu verteidigen sind.« [200] Im Vorfeld der Senatsanhörung teilt die
LGT mit, dass die Geschäftsmethoden des Unternehmens heute andere seien als die
im Bericht des Ausschusses beschriebenen.
Ein halbes
Jahr nach dem Hearing zahlt die UBS 780 Millionen Dollar Strafe für die
illegalen Praktiken, die sie in den USA angewendet hat. Im Sommer 2009 schließlich
kapitulieren die Schweiz und die UBS. Die Schweiz verpflichtet sich im Rahmen
eines Staatsvertrags, den USA 4 450 Daten [201] von Kunden der Großbank zu übermitteln, die in den Vereinigten Staaten
verdächtigt werden, Steuern hinterzogen zu haben.
Die
US-Amerikaner haben das Schweizer Bankgeheimnis durchlöchert.
In
Liechtenstein geht es nach dem Sommer 2008 etwas weniger turbulent zu – bis
Fürst Hans-Adam sein Ländchen mit Negativmeldungen zurück auf die Titelseiten
der deutschen Presse katapultiert. Denn der Fürst hat einen seiner bei Freund
und Feind berüchtigten Ausbrüche gehabt. Im September 2008 werden die Details
bekannt: Auslöser ist eine unverfängliche Anfrage von Michael Blumenthal, dem
Direktor des Jüdischen Museums Berlin, der in einem vom 18. Juni 2008
datierten Brief den Kunstsammler und Fürsten von Liechtenstein um die Leihgabe
eines Werkes von Frans Hals für die Realisierung der Sonderausstellung »Raub
und Restitution« bittet. [202]
Nein, das
komme nicht infrage, antwortet der Fürst barsch eine Woche später. »Wir wollen
unsere Kunstwerke nicht dem Risiko einer selektiven Anwendung des Rechtsstaates
in der Bundesrepublik Deutschland aussetzen«, lässt er Michael Blumenthal
wissen: »Was die deutsch-liechtensteinischen Beziehungen betrifft, warten wir
hier auf bessere Zeiten, wobei ich zuversichtlich bin, denn in den vergangenen
zweihundert Jahren haben wir immerhin schon drei Deutsche Reiche überlebt, und
ich hoffe, wir werden auch ein viertes überleben.«
Es ist zwar
nicht das erste Mal, dass das liechtensteinische Staatsoberhaupt Deutschland –
peinlich genug – als viertes
Weitere Kostenlose Bücher