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Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2

Titel: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Sick
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ist neugierig geworden: »Was meinst du denn mit
    Invasion?« − »Ich meine nicht Invasion, sondern Inversion«,
    stellt Henry richtig. »Inversion bedeutet Umkehrung oder
    Gegenstellung. Beim Hauptsatz steht das Prädikat norma-
    lerweise in der Mitte, also hinter dem Subjekt und vor dem
    Objekt. In der Frage wandert das Prädikat an den Satzan-
    fang, beim Nebensatz wandert es nach hinten.«
    »Will noch jemand Wasser?«, frage ich und halte die
    Sprudelflasche in die Luft. »Siehst du«, sagt Henry zu Ma-
    ren, »das war jetzt gerade eine typische Inversion von Sub-
    jekt und Prädikat im Fragesatz. Aus »Jemand will noch« wird
    »Will noch jemand«. Anhand dieser Umstellung kann jeder
    erkennen, dass es sich um eine Frage handelt. Man braucht

    am Ende nicht mal die Stimme zu heben.« − »Schon klar«,
    sagt Philipp, »da erzählst du mir nichts Neues ... obwohl so
    genau hätte ich das jetzt nicht erklären können.« − »Und in
    Nebensätzen gibt es auch so eine ... Inversion?«, fragt Ma-
    ren. »Normalerweise ja«, sagt Henry. »Steht in dem Haupt-
    satz »Wir sitzen im Kino‹ das Prädikat noch an zweiter Stel-
    le, nimmt es im Nebensatz »während wir im Kino sitzen‹ die
    Schlussposition ein. So sieht es unsere Grammatik vor. In
    letzter Zeit aber wird immer häufiger auf die Inversion ver-
    zichtet. Statt hinter ›weil‹, »obwohl« und »wobei« einen Ne-
    bensatz zu bilden, fangen viele einfach einen neuen Haupt-
    satz an.«
    »Und ist das falsch oder bloß eine neue Entwicklung?«,
    will Maren wissen. »Sowohl als auch«, antwortet Henry, »es
    ist eine neue Entwicklung, die mit den Regeln der Gramma-
    tik bricht. Und wenn sie sich weiter so ungehemmt ausbrei-
    tet, steht zu befürchten, dass sich die Grammatikwerke dem
    irgendwann anpassen und die Einleitung von Hauptsätzen
    mit »weil« und »obwohl« als zulässig erklären. Ich persönlich
    achte darauf, dass ich hinter »weil« einen Nebensatz bilde,
    also das Prädikat ans Ende setze. Und seit ich darauf achte,
    fällt mir ständig auf, wie viele andere es offenbar nicht tun!«-
    »Woher kommt das denn?«, fragt Maren weiter. »Der Haupt-
    grund dürfte in der Bequemlichkeit liegen«, meint Henry. »Es
    ist einfacher, einen Hauptsatz zu konstruieren als einen
    Nebensatz. Wie oft fängt man beim Sprechen einen Satz an,
    ohne genau zu wissen, wie er enden wird. Ehe man sich’s
    versieht, hat man das Wort »weil« ausgesprochen und befin-
    det sich mitten in einem abhängigen Kausalsatz. Man denkt:
    »Ups, wie komme ich da bloß wieder raus?«, und rettet sich,
    indem man kurz Luft holt und dann mit einem neuen
    Hauptsatz beginnt. So als hätte man nicht »weil« gesagt, son-
    dern »denn«. Denn die Konjunktion »denn« gehört zur Grup-
    pe der sogenannten »koordinierenden Konjunktionen«, das

    sind Wörter, die Hauptsätze miteinander verbinden. So wie
    »und, ›oder‹, »aber« und »sondern«. ›Weil‹ hingegen gehört
    zur Gruppe der »subordinierenden Konjunktionen«, die Ne-
    bensätze einleiten. Und in Nebensätzen steht das Prädikat
    nun mal am Ende. Das ist für manch einen offenbar zu kom-
    pliziert. Heute Morgen hörte ich im Radio den Satz: »Ziehen
    Sie sich warm an, weil heute wird es noch kälter.« Ein Ne-
    bensatz aus sechs Wörtern, das ist doch eine überschaubare
    Angelegenheit, und trotzdem war der Sprecher mit der kor-
    rekten Platzierung des Prädikats überfordert.«
    »Fest steht doch«, sagt Philipp, »dass Sprache sich entwi-
    ckelt und Strukturen sich verändern können. Wenn die
    Mehrheit findet, dass es praktisch ist, hinter »weil« einen
    neuen Hauptsatz zu beginnen, warum sollte man das dann
    nicht akzeptieren?« − »Ich habe ja auch nie behauptet, dass
    ich gegen Wandel in der Sprache sei«, stellt Henry klar. »Ich
    trete lediglich für einen bewussten Umgang mit der Sprache
    ein. Und ich bin absolut dafür, die Möglichkeiten der Spra-
    che voll auszuschöpfen − dort, wo es sinnvoll ist.«Ich pflichte
    Henry bei: »Gerade beim Satzbau lässt übrigens die deutsche
    Sprache sehr viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten zu als
    beispielsweise das Englische. Dort werden Sätze nach der
    immer gültigen Formel ›SPO‹ zusammengebaut.« Philipp
    grinst und sagt: »Die Sozialdemokraten haben wirklich über-
    all ihre Finger im Spiel − sogar in der Grammatik!« − »SPO
    steht für Subjekt, Prädikat und Objekt − die drei Hauptbe-
    standteile des Satzbaus. Auch im Deutschen werden die
    meisten

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