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Der David ist dem Goliath sein Tod

Der David ist dem Goliath sein Tod

Titel: Der David ist dem Goliath sein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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um das Trauerhaus über die Planungsfortschritte der Beisetzung zu informieren, weinte Oma Christel los:
    Â»Mein Struppi ist nicht mehr. Ich will ihn bei mir haben!«
    Â»Jaja«, sagte mein Bruder zuckersüß, »er wird ja Donnerstag mit allen Ehren beerdigt.«
    Â»Mit … Ehren?«
    Â»Mit allen Ehren«, sagte mein Bruder. »Da wirste mit einer nicht auskommen. Staatsbegräbnis. Mindestens.«
    Nun war es soweit.
    Struppi hatte einige Zeit im Kühlhaus des Tierfriedhofs geruht, und als mein Bruder ihn holte, war er in einen geschmackvollen Baumwollbeutel eingenäht.
    Struppi, nicht mein Bruder.
    Wir hatten darauf verzichtet, einen Angestellten des Friedhofs um weitere Hilfe zu bitten. Es war auch so schon kostspielig genug. So schritten wir zum Grab: mein Bruder, Oma Christel und ich. Mein Bruder trug andächtig den vermummten Struppi vor sich her. Oma Christel weinte unentwegt.
    Als wir an der Grube ankamen, war sie kurz davor, zusammenzubrechen.
    Â»Geh«, sagte mein Bruder. »Wir werden ihn würdig beisetzen.«
    Oma Christel zog sich zurück und setzte sich fünfzig Meter entfernt auf eine Bank.
    Â»Okay«, sagte ich. »Bringen wir es hinter uns.«
    Mein Bruder nickte und ging vor der Grube in die Hocke: Er versuchte behutsam, Struppi irgendwie beizusortieren, hielt ihn mal so und mal so, und nach drei Minuten stellten wir panisch fest: Passte nicht.
    Loch zu kurz.
    Struppi zu lang.
    Ich wandte mich um und gab Oma Christel staatsmännische Handzeichen.
    Alles okay. Al-les o-kay.
    Â»Versuch hochkant«, sagte ich.
    Das ging, allerdings ragte dann Struppis Kopf hervor. Das war wohl nicht so gut.
    Struppi war steifgefroren. Mein Bruder sah es auch. Er klopfte nachdenklich mit den Knöcheln auf den harten, verhüllten Leib.
    Â»Behalte die Trauergemeinschaft im Auge«, sagte er. In seinem Gesicht sah ich etwas Endgültiges.
    Zu gern würde ich irgendwie subtiler formulieren, was dann geschah. Geht aber nicht.
    Mein ziemlich kräftiger Bruder legte Struppi auf sein Knie und brach ihn durch. Wirklich.
    War nicht schön, passte dann aber.
    Auf dem Weg zurück zu den Frauen sprachen wir kurz.
    Â»Du bist mein Bruder«, sagte er. »Bewahre dieses Geheimnis. In zwei Stunden machen die das Loch zu. Denk einfach, es wäre Feuerholz gewesen.«
    Als wir Oma Christel erreichten, verneigten wir uns leicht.
    Â»Es war sehr feierlich«, sagte ich.
    Â»Ihr seid gute Jungs«, sagte Oma Christel. »Ihr habt euch soviel Mühe gegeben.« Sie schluchzte kurz. »Aber ich habe nachgedacht. Ich will nicht, dass er in der kalten Erde liegt. Ich werde meinen Struppi ausstopfen lassen.«
    Â»Aha«, sagte ich.
    Â»Ja. Er soll für immer bei mir zu Hause in einer schönen, warmen Ecke sitzen.«
    Â»Jo«, meinte mein Bruder, »da wirste mit einer nicht auskommen.«
    Das würde wieder übel werden, ahnte ich.
    Wurd’s dann auch.

Russisch Lloret
    Es war eine dieser Roulette-Busreisen gewesen: 199 Mark für zwei Wochen spanische Hochkultur unter Gleichgesinnten, und zwar in jenem Ort, der selbst Gästen von Mallorcas Ballermann 6 zu prollig ist: Lloret de Mar.
    Die Fahrt war großartig, sah man davon ab, dass Kniegelenke eher hinderlich waren, wenn man nicht die komplette Reise über auf dem Gang stehen wollte. Zwischen die Sitzreihen hätte nicht einmal das ausgeschnittene Tittenfoto der Bildzeitung gepasst, und die chemische Toilette belehrte mich, dass der Mensch nicht nur zu 70 Prozent aus Wasser besteht, sondern er dieses auch möglichst vollständig in überschwappende Dixie-Klos abgeben möchte.
    Ich vermutete, dass unsere Mitreisenden sich schon Wochen vor Reiseantritt das Pinkeln verkniffen hatten – nach dem Prinzip des präventiven Fastens, wenn man weiß, dass man auf eine Party mit Buffet geht.
    Achtzehn Stunden später.
    Mein Bewegungsradius hatte sich auf den eines Playmobil-Männchens eingeschossen und Uwe weinte seltsam gelbe Tränen der Rührung, als er unsere Koffer aus den Eingeweiden des Busses zerrte.
    Wir waren die Letzten am Hotel, aber Uwe meinte: »Die Letzten werden die Ersten sein, Kollege.«
    Roulette-Reise.
    Das bedeutete, dass unser Hotel nach einem Prinzip gewählt wurde, das uns schleierhaft war; obwohl ich meinte, dass wir bei dem Fahrer einen mächtigen Nierenstein im Brett haben müssten, so wenig, wie wir gepinkelt hatten. Er

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