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Der David ist dem Goliath sein Tod

Der David ist dem Goliath sein Tod

Titel: Der David ist dem Goliath sein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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hatte uns vor einer stuhlfarbenen Pension auf dem höchsten Hügel der Stadt abgesetzt, wo die Luft nach Frittierfett roch und die Gardinen die Farbe der Mortadella von neulich aufwiesen.
    Das lief etwas konträr zu Uwes These, wurde mir klar, als ich den Schicksalsberg hinunterstarrte, einen Krümel Innenstadt erahnend, und dahinter eine dünne blaue Linie, die das Meer, aber auch eine geplatzte Ader im Auge sein konnte: Die Letzten würden einfach die Letzten sein.
    Zumindest am Strand.
    Â»Wir werden am Vorabend losgehen müssen, wenn wir Sand und Sonne wollen«, sagte ich.
    Â»Nee«, erwiderte Uwe, »wir leihen uns Roller oder sowas.«
    Wir checkten ein.
    Die Pension hatte den Charme eines russischen Arbeitslagers, nur dass das Essen nicht so gut war; ich vermute, dass der morgendliche Aufschnitt von Fluglinien stammte, die ihre verdorbenen Vorräte über Spanien abwarfen, und das Backwerk schien unter Denkmalschutz zu stehen. Man reklamierte beherzt, das Brötchen habe die Konsistenz eines Fossils, und dies zeitigte Erfolg: Am nächsten Morgen waren die Brötchen von bestürzender Flexibilität. Ich hätte mit meiner Semmel Wimbledon gewinnen können; ich musste sie vorher nur über einem Eimer auswringen.
    Der Herbergsvater schien sie einfach unter den Wasserhahn zu halten.
    Die Einrichtung unserer Unterkunft sah aus, wie man sich das Piraten-Sterbezimmer in Pippi Langstrumpfs Taka-Tuka-Land vorstellte: zwei Stühle aus Plastik, das wie Bambus, der wiederum wie aufgepappte Dekofolie aussah. Ein Tisch, der offenbar von einem stolzen Bettler dem Sperrmüll überantwortet worden war und dessen Platte die unheimlichen Ringe vor hundert Jahren abgestellter Coladosen zeigte. Die Handtücher im Bad hingen über einem Draht, der wie von Geisterhand oder von fremdem Körperfett an den Fliesen gehalten wurde. Die Handtücher waren so fadenscheinig, dass man aussah wie Christus auf dem Turiner Leichentuch, wenn man sich das Gesicht trockenrubbelte.
    Im Zentrum des Raums stand ein Doppelbett, dessen Matratzen mit Margarine gefüllt sein mussten, denn man konnte sich nicht des Gefühls erwehren, man sacke in den Erdkern, wenn man sich darauflegte.
    Die Stadt jedoch war den einstündigen Fußmarsch wert: Sie war ein buntes Paradies für Menschen, die als Oberbekleidung T-Shirts bevorzugen, auf denen »Königsbumser von Lloret« stand. Uwe erstand umgehend ein pornografisches Pokerspiel, ich einen Schlüsselanhänger mit Miniatur-Samuraischwert, mit dem ich mich später fast entmannt hätte, als ich gedankenverloren in meiner Hosentasche herumfuhrwerkte.
    Wir holten uns direkt am ersten Tag einen Premium-Sonnenbrand, all inclusive: nässende Blasen, Haut wie eine erhitzte Teflonpfanne, Schmerzen, wie sie ein Clive Barker nicht zu Papier bringt. Also blieben wir am Folgetag auf unserem Zimmer, 20 Quadratmeter, kein Balkon, keine Klimaanlage, kein Toilettenpapier, tut uns leid, was erwarten Sie denn für 199 Mark, hm?
    Mutti hätte mich eingecremt, Van Helsing uns gejagt: Ab sofort war die Sonne unser Feind.
    Uwe packte sein Kartenspiel aus.
    Â»Lass uns zocken. Poker?«
    Â»Kann ich nicht.«
    Â»Was kannst du?«
    Â»Mau-Mau.«
    Uwe mischte, Uwe teilte aus.
    Heiland: Der Joker war eine extrem nackte, extrem behaarte Frau, die sich einer Bodengymnastik verschrieben hatte, die meine Magensäfte zum Brodeln brachte.
    Alle Damen waren auf die Siebzigerjahre-Billigpornoart haarig.
    Die Spanier mochten Gewusel, wie es aussah: Legte man mehrere Achten, hatte man genug Pelz zusammen, um den Madrider Bahnhof damit auszulegen.
    Â»Hier, du Sack.« Uwe knallte mir eine wollige Sieben hin und ich zog zwei ungekämmte Spitzbärte.
    Nach einer Stunde wurde es öde.
    Â»Lass uns um was spielen«, meinte Uwe. »Einsatz zählt.«
    Â»Okay. Was?«
    Â»Sangria. Wer verliert, trinkt.«
    Ich spülte die Zahnputzbecher aus, die es paradoxerweise gab.
    Uwe entkorkte eine Flasche Sangria, die uns zwei Komma acht Milliarden Peseta, also etwa drei Mark, gekostet hatte, gab einige Wolfsdamen und gewann.
    Ich trank.
    Â»Ich hab ’ne Idee«, appellierte Uwe triumphierend an meinen Sportsgeist, »ab jetzt potenziert sich das Zeug, wenn man verliert. Will sagen: Wenn du einmal verlierst, trinkst du ’nen Becher, verlierst du noch mal – zwei. Danach vier, und so weiter, bis die Serie unterbrochen ist.

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