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Der David ist dem Goliath sein Tod

Der David ist dem Goliath sein Tod

Titel: Der David ist dem Goliath sein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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er eingeschlafen war. Das war früher mal mein Gerät gewesen.
    Während er also betete, ließ ich gelangweilt das CD-Fach aufgleiten, spähte hinein und dachte: Oha.
    Mein Sohn, wurde mir schlagartig klar, hatte gar kein ADHS. Der Grund, warum er manchmal mitten im Unterricht übermüdet umkippt und dann wie frisch verlegtes Laminat rumliegt, der Grund, warum mein Sohn ein Meerschweinchen nicht von einem Flummi unterscheiden kann, weswegen ich immer einen ganzen Batzen Sagrotan-Tücher im Haus habe, der Grund also, warum ich dachte, mein Sohn habe ADHS, hatte nur einen Auslöser:
    Ich hatte ihm den CD-Spieler hingestellt, ohne mir das Ding vernünftig anzugucken, und deswegen hörte mein Sohn seit nunmehr drei Jahren stets eine meiner CDs zum Einschlafen, präzise gesagt, eine von SCOOTER. Das erklärt immerhin, warum mein Sohn zuverlässig zu weinen anfängt, sobald er im Fernsehen ein Megafon sieht.
    Zu meiner Entlastung muss ich sagen, dass ich Scooter-CDs ja nur wegen der Texte kaufe.
    I want you back so clean up the dish.
    By the way, how much is the fish?!!
    How much is the fish?!!
    Here we go, here we go, here we go again!!
    Yeeah!!
    Sunshine in the air!!
    Aber besser macht es das nicht.
    Ich drehte den Lautstärkepegel von zwölf auf zwei, entnahm die CD, ging ins Wohnzimmer und genoss die Stille. Viermal schon hatte ich meine Nachbarn wegen des Radaus beim Mieterschutzbund angeschissen, ohne zu merken, dass der Lärm aus dem Kinderzimmer kam. Endlich konnte ich mal in Ruhe denken.
    Ich setzte mich an den PC, öffnete Firefox und las: HUNDERTWASSER-Ausstellung in Dresden. Es machte klick.
    Mein neuer cooler Bühnenname … ich mach’s wie Friedensreich Hundertwasser. Der hieß ja auch nicht wirklich so, Friedensreich Hundertwasser.
    Brillantes Namenskonzept, so Wunsch als Vorname und Flüssigkeit hinten.
    Ich werde mich Bumsgut Krombacher nennen.
    So machen wir’s. Und wenn ihr jetzt tatsächlich immer noch überlegen müsst, was das jetzt gerade für ein unfassbarer Schwachsinn war, kann ich nur sagen – bemüht mal eure Fantasie.
    Tuff Tuff.

Idiotenpraktikum I
    Der Chef der Videothek hieß Kevin und trug ein so labbriges Nike-Sweatshirt, dass ich vermutete, er würde das Kleidungsstück nach jedem Waschgang zum Trocknen über die Schnauze eines Intercitys ziehen. Kevin war Anfang dreißig und trug die Haare nach Art alter Gruselfilme mit Peter Cushing, also oben mit Frittierfett straff nach hinten gebogen, seitlich mit monströsen »Was kostet die Welt«-Koteletten verbrämt. So sonderbar sein Aussehen, so weltmännisch sein Auftreten gegenüber Kunden – ein Menschenschlag, der auf Kevins Beliebtheitsliste organischer Lebensformen vier Plätze hinter Sackratten rangiert.
    Kevin spielte von Beginn seiner Schicht, neun Uhr, bis zu deren Ende, 22 Uhr, ausschließlich World of Warcraft .
    World of Warcraft , in dem er ein finsterer Krieger war, der im Gegensatz zu Kevin selbst ständig dazulernte und an Tagen, wo es gut lief, Geschenke in Form von Schienbeinschonern aus den Vorhäuten dahingeschiedener Drachen erhielt.
    World of Warcraft ist eine Droge für Leute, die keine Nadeln abkönnen, aber einen DSL-Anschluss haben. Durch den Umstand, dass es genug digitale Dunkelelfen gibt, um mehrere Stadien zu füllen, kommen ganze Industriezweige zum Erliegen, weil die Leute sich durch weltweit aufflappende Chatfenster mit anderen, von ihren Besitzern gepimpten Pixelpennern zusammenrotten, um mal wieder irgendeinem Ebene-12-Zauberer den Arsch aufzureißen. Statt zu arbeiten.
    Kevin hingegen führte immerhin eine Videothek.
    Â»Morgen, Kevin«, sagte ich. Wir waren übereingekommen, dass ich ein eintägiges Praktikum bei ihm machte, und seine leicht abwesende, telefonische Bejahung dessen hatte geklungen, als wäre es auch okay, wenn ich den Laden anzünden würde.
    Wir kannten uns lange, aber der Zugang zu ihm wurde immer schwieriger.
    Â»Morgen … hier … Dings«, sagte er, ohne vom Flachbildschirm aufzusehen.
    Â»Torsten«, erwiderte ich.
    Â»Genau.«
    Â»Kaffee, Kevin?«
    Â»Klar. Koch einen, ja?«
    Â»Du hast keine Kaffeemaschine. Ich hol ihn für uns immer im Sonnenstudio.«
    Er blickte kurz auf.
    Â»Echt?«
    Â»Ja. Was für einen willst du?«
    Â»Was für einen was?«
    Â»Kaffee, Kevin.«
    Â»Super Idee. Dann nehme ich

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