Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der David ist dem Goliath sein Tod

Der David ist dem Goliath sein Tod

Titel: Der David ist dem Goliath sein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
Vom Netzwerk:
nehmen, drückte er einen Knopf der Registrierkasse. Ich spähte über seine Schulter. Ein einzelner Hunderter lag im Geldscheinfach. Kevin nahm ihn heraus. »Wenn du es schaffst, auch nur eine Portion Popcorn zu verkloppen, bekommst du den hier.« Er heftete die Banknote an die Korkpinnwand neben der Stereoanlage.
    Â»Super.«
    Â»Ist klar.«
    Â»Das schaffe ich.«
    Â»Ist klar. Noch was. Du hast zwei Stunden Zeit.«
    Â»Kein Problem.«
    Â»Ist klar.«
    Ich huschte rüber in die Bude des Türken nebenan und kaufte einen Halbmeterschlauch Popcorn. Vier Euro. Die Aufschrift lautete: Frisches POPCORN, raffiniert gesüßt. Soso, dachte ich, raffiniert gesüßt. Super.
    Als ich zurückkehrte, befand sich Kevin in einem weiteren Kundengespräch.
    Â»Welchen Film mit Stallone können Sie mir empfehlen?«, fragte der Mann gerade; er trug eine Mütze mit dem Konterfei von Tupac und hatte die Hände in den Taschen seiner Cargohose versenkt.
    Kevin hob tatsächlich den Blick.
    Â»Stallone«, sagte er. »Empfehlen?«
    Â»Ja – ein bisschen was mit Handlung und Substanz«, sagte der Typ.
    Â»Oh«, sagte Kevin. »Klar: Da gibt’s nur eins für Sie – den Stallone-Streifen schlechthin. Da spielt er einen alten Mann, der sich in der Liebe zu Frauen verliert, bis er in den Wirren der Prager Unruhen die Eine kennenlernt und sich in einem verwirrenden Vexierspiel aus Abhängigkeit und Begierde wiederfindet – dieses Meisterwerk ist repräsentativ für Stallones Arthouse-Serie, und als der Off-Erzähler, der Quasiplatzhalter für Gott den Allmächtigen, sagt: Das Drama eines menschlichen Lebens kann man immer mit der Metapher der Schwere ausdrücken. Man sagt, eine Last ist einem auf die Schultern gefallen. Man vermag sie zu tragen oder auch nicht: Man bricht unter ihr zusammen, kämpft gegen sie, verliert oder gewinnt, antwortet Stallone: Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist. Den müssen Sie sehen, wenn der Prager Frühling und die fragile Stimmung dieser Zeit Ihnen etwas bedeuten – wenn Ihr Herz schlägt. Die DVD steht in Regal vier. Sie heißt: Die unerträgliche Leichtigkeit von eins in die Fresse.«
    Der Kunde nickte, ging vier Schritte in Richtung der Regale und blieb dann wie angewurzelt stehen. Dann drehte er sich um.
    Â»Sie wollen mich wohl verarschen?«
    Â»Wer hat denn mit der Scheiße angefangen?« fragte Kevin.
    Der Kerl atmete scharf ein. Ich nutzte meine Chance:
    Â»Bisschen Popcorn?«
    Der Mann mit der Mütze warf mir einen blutunterlaufenen Blick zu und verließ den Laden.
    Â»Jetzt sind es nur noch eine Stunde und 56 Minuten«, sagte Kevin.
    Er langte hinter sich und knallte eine Handvoll Etiketten auf den Tresen.
    Â»Hier … geh mal runter und häng die wieder auf. Sonst können wir die Filme nicht neu verleihen.«
    Runter bedeutete die Erwachsenenabteilung – die Hardcorehölle im Tiefgeschoss.
    Â»Ich kenn die Nummern nicht.«
    Â»Die stehen auf den Hüllen.«
    Â»Muss das sein?«
    Â»Du bist mein Praktikant. Das muss sein. Ist klar, hm?«
    Ich ergriff das Pfund Etiketten und latschte nach unten.
    Komisch: Im Tiefgeschoss wimmelte es von Männern in Jogginganzügen, obwohl es oben völlig leer war; die Kerle mussten seit Stunden hier unten sein und sie benahmen sich wie russische Doppelagenten, versteckten sich hinter den Regalen, senkten die Köpfe und murmelten vor sich hin.
    Ich ging nochmal rauf.
    Â»Kevin«, sagte ich. »Da unten sind mindestens acht oder neun Leute.«
    Â»Die kommen schon wieder hoch.«
    Â»Ja wie? Hältst du die da unten?«
    Â»Neee, die informieren sich erst mal. Eigentlich ganz robuste Klienten, aber einige von ihnen können nicht abwarten, bis sie zu Hause sind.«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Du weißt schon.« Er machte eine Handbewegung, als würde er einen Würfelbecher schlenkern.
    Â»Gib mir Gummihandschuhe!«
    Â»Brauchst du nicht. Die Etiketten hängen ja unter den DVD-Covers.«
    Â»WAS?«
    Â»Begrüß sie nur nicht mit Handschlag.«
    Ich ging wieder runter; die Regale beherbergten mindestens 500 Pornos, und die waren keineswegs nach den Nummern auf den Etiketten sortiert, sondern nach Unterkategorien, wie ich den über den Regalen festgepappten, laminierten Schildern entnahm. Kevin hatte sie nicht nur selbst gebastelt: Auch die

Weitere Kostenlose Bücher