Der David ist dem Goliath sein Tod
auch einen.«
Ich nickte und ging los.
Kevins Videothek kauert mit ihren 100 Quadratmetern zwischen einem Dönerladen und einem türkischen Geschäft, das auÃer Kistenbier, Zeitschriften und Obst auch ziemlich ordentliches Popcorn in Plastikschläuchen anbietet. Dazu jedoch später mehr.
Ich holte uns zwei Kaffee, balancierte die Tassen zum Tresen und betrachtete Kevin beim Töten, während ich mein Getränk schlürfte.
Ich hoffte, ich könnte in einem Beratungsgespräch auftrumpfen. Eine Minute später warâs soweit; eine ältere Dame betrat den Laden.
»Guten Tag«, sagte sie, »ich such den neuen Film mit diesem ⦠Spanier.«
Wie erwartet blickte Kevin nicht auf; sein Blick war auf den Monitor geheftet und man sah ihm an, wie sehr ihn der Umstand, dass er World of Warcraft lautlos spielen musste, ankotzte.
»Spanier«, sagte er.
»Ja, dieser Dunkelhaarige â¦Â«, setzte sie an.
»Ach was«, sagte Kevin. »Nicht der Albino-Spanier? Ein dunkelhaariger? Echt jetzt?«
»Hören Sie«, sagte sie, »wenn das hilft: Er hat auch diesen Maskierten gespielt â¦Â«
»Wen?«, blaffte Kevin. »Den Elefantenmenschen? Fantômas?«
»Kevin«, murmelte ich, »sie meint Antonio Banderas. Zorro.«
»Richtig«, sagte die Frau.
»Ja und?«, sagte Kevin.
»Nix und«, sagte ich.
»Was kommt denn als Nächstes hier?«, brauste Kevin auf. »Ein alter Opa, der einen Film mit diesem »Grünen« sehen will? Und dann raten wir ein paar Stunden lang, ob er Hulk, Otto Schily oder Godzilla meint? Ich muss hier einen Aufstand der Untoten niederschlagen; da kann man nicht noch jeden Film eines Südländers runterbeten, verdammte Hacke! Das sind zu viele!«
»Südländer?«, fragte die Dame.
»Untote! Und die einzige Online-Unterstützung, die ich dabei habe, ist so eine unterentwickelte Presswurst aus Wuppertal. Ich fresse Zorros dreckiges Hutband, wenn der älter als 13 ist. Da kann ich gleich meine Omma fragen, ob sie ein altes Modem an ihre Nachttischlampe anschlieÃt! Da kann sie sich dazugesellen. Vielleicht gibtâs bei World of Warcraft ja Leasing-Hexen mit Schrubber.«
»Ich geh mal mit Ihnen durch«, sagte ich zur mittlerweile sichtlich irritierten Dame.
Wir spazierten zu den Regalen.
»Was passiert denn darin? Also in dem Film.«
»Banderas verliebt sich.«
»Antonio Banderas verliebt sich in ausnahmslos jedem Film. Tut mir leid. Wenn Sie jetzt Johnny Depp gesagt hätten â¦Â«
»Ist der Spanier?«
»Nein, der ist vor allem Pirat. Oder Friseur.«
»Hat er Zorro gespielt?«
»Noch nicht. Vorschlag â wenn Sie drei leihen, bekommen Sie einen umsonst.«
Ich stellte ihr drei Banderas-Streifen zusammen, darunter auch Once upon a time in Mexico , in dem Johnny Depp die Augäpfel herausgerissen werden ⦠was die Dame lehren sollte sich Filmtitel zu notieren, solange ihr Augenlicht noch da war.
Sie war sehr angetan von meinen Bemühungen, obwohl unser Gespräch des Ãfteren von Kevins Ausrufen wie »FEUERMAGIE, DU DRECKSAU! Nimm Feuermagie!« unterbrochen wurde.
Ich suchte die Filme aus den entsprechenden Regalen.
Kevin spielte.
Der nächste Kunde fragte dann tatsächlich, ob wir Popcorn im Programm hätten.
»Nein«, sagte Kevin.
»Oh«, sagte der Mann. »Warum nicht?«
»Wenn Gott gewollt hätte, dass man Lebensmittel zum Explodieren bringt, hätte er Zündschnüre an Zervelatwurst gemacht. Ist klar, oder?«
Ich schloss die Augen. Kundenfreundlichkeit war eine Sache: Wenn Kevin der Auffassung war, potenzielle Kunden sollten behandelt werden wie chinesische Flüchtlinge, die nachts über seine Balkonbrüstung klettern, war dies sein Privatvergnügen. Aber es musste ein Mittelding zwischen exzellentem Service und aus Versehen generiertem Umsatz geben.
»Warum machen wir nicht einfach Popcorn?«
»Ist klar«, sagte Kevin. »Popcorn. Warum backen wir nicht âne Hochzeitstorte? So vierstöckig. Ich hab im Keller bestimmt noch ân Zentner Marzipan.«
»Ich verstehe ja, dass du gern zocken willst. Aber dann sollten wir hier abschlieÃen, bevor du irgendwann gelyncht wirst.«
»Das hier«, sagte Kevin, »ist nicht der Wiener Opernball. Hier wird nicht bewirtet.«
Ohne die Augen von seiner digitalen Schlachtplatte zu
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