Der Deal
und füllte es.
»Es ist seltsam, weißt du«, begann er. »All diese Dinge wieder zu tun, in die ich mich einmal hineingestürzt hatte. Ich sehe sie nicht und entscheide dann, es läuft fast automatisch ab. Damals habe ich in allem leidenschaftlich dringesteckt, mein Job als Polizist, Jura, du. Der alte Diz hat sich in all dem wohl selbst verloren.«
Jane stellte die Flasche auf den Boden und streckte sich neben ihm aus. »Hast du deswegen alles hingeschmissen?«
»Das alles hat mich bis zum Rand angefüllt, mir meine Persönlichkeit genommen.« Mit geschlossenen Augen nahm er einen Schluck Wein. »Dann, als Michael gestorben ist …«
»Es ist okay, Diz.«
»Ich weiß, ich weiß. Aber mir ist klar geworden, daß all diese … Leidenschaften, nicht ich waren. Ich war nur ein Kerl, der diese Dinge ganz gut hingekriegt hat – ich spielte den Polizisten, stritt vor Gericht, machte vielleicht Liebe …«
»Aber ganz bestimmt.«
»… aber nichts davon hatte eine Bedeutung. Oder möglicherweise bedeutete mir alles zuviel. Als ich das Kind verloren habe, ist mir das bewußt geworden. Es gab kein Ich – keinen Dismas –, das damit hätte umgehen können.«
»Also bist du ausgestiegen?«
»So hab’ ich das nicht gesehen. Ich habe meine Laufbahn gewechselt, das ist alles, hab’ diesen romantischen Idioten abgeschafft. Man darf die Dinge nicht so wichtig nehmen. Dinge gehen verloren. Das ist das Leben. Man muß damit umgehen können.«
Mit einer Hand fuhr sie über den Bauch, der ihrem ersten Ehemann gehörte. Er lächelte ihr zu, trotz der ernsten Worte. Es war immer noch dieses wundervolle Lächeln. Sie küßte ihn auf die Wange, das Ohr, den Nacken. Seine Arme umschlangen sie.
»Bist du dann glücklich gewesen?« fragte sie.
»Ich war nicht unglücklich, und ich habe auch nicht viel darüber nachgedacht.«
»Außer, daß du deine Theorie von der Liebe ohne Schmerz entwickelt hast.«
Er zuckte mit der Schulter. »Das ist eine gute Theorie. Bist du glücklich gewesen? Wer ist denn überhaupt glücklich? Das Konzept taugt doch nichts.«
»In diesem Augenblick bin ich glücklich«, flüsterte sie. »Und ich muß mir keine Gedanken darüber machen, was es morgen bedeuten könnte.«
»Wieder ein Unterschied zwischen uns.«
Aber das sagte er schon gekünstelt wie ein Schauspieler, mit leicht gekräuselten Lippen, in den Augen ein lustiges Zwinkern. »Aber das hier ist nicht schlecht.«
»Oh, ich danke vielmals.«
Langsam und tief küßten sie sich nun, die Hände glitten ihre Körper entlang. Sie nahm den sanften Hauch seines Atems auf ihrer Haut wahr. »Das hier ist auch nicht schlecht. Oder das. Oder …«
»Diz?«
»Hm?«
»Schscht.«
Rose hatte nicht sehr oft Schlafstörungen.
Das letzte Mal war es im Februar oder März gewesen, sie wußte es nicht mehr genau, als der Paulus-Missionar eine Woche bei ihnen zu Gast gewesen war. Immer, wenn die Diözese ihre Missionare lossandte, war sie mehr als sonst um Küche und Haushalt besorgt. Sie ließ sich dabei von der Nervosität der Ehrwürdigen Väter anstecken, und sie wollte ihnen auf keinen Fall Unannehmlichkeiten bereiten, deshalb blieb sie länger auf und überdachte alles, was sie vergessen haben oder besser machen könnte.
Aber in den anderen, ganz normalen Nächten, wie zum Beispiel heute, ging sie nach dem abendlichen Abwasch für den Pater – und oft auch für dessen Gäste – gewöhnlich in ihr Zimmer, wo sie den Fernseher anstellte und strickte. Ungefähr um neun Uhr machte sie das Licht aus, schließlich begannen die Tage im Pfarrhaus früh am Morgen, und sie war ja kein junges Küken mehr – sie brauchte ihren Schlaf.
Die Sache mit Pater Cavanaugh ging ihr jedoch nicht aus dem Sinn, und dabei war sie wahrscheinlich nicht einmal wichtig. Sie konnte es ihm sehr gut noch am nächsten Morgen sagen und damit ein für allemal loswerden. Doch ihr Körper schien nicht einverstanden zu sein – sie lag wach, während sie darauf wartete, daß er von seinem Besuch bei Cochrans, wo er sich nach Stevens Fortschritten erkundigte, zurückkam.
Mit einem Blick auf die Leuchtziffern ihres Weckers stellte sie fest, daß es elf Uhr war; morgen würde sie hundemüde sein. »Los jetzt, du alter Besen«, schimpfte sie entnervt mit sich selber, »das hat doch noch Zeit.«
Aber immer wieder kehrten ihre Gedanken dorthin zurück, und es konnte ja wirklich etwas sein, das den Pater zu sofortigem Handeln veranlassen würde. Denn selbst wenn sie schon einen
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