Der Deal
hübsch.«
Solange sie es aushalten konnte, starrte sie ihre neue Stiefmutter an. Die war wahrscheinlich nur fünf Jahre älter als sie selbst, doch das würde Nika natürlich nie verraten. Sie gab zu, daß es ein gutes Foto war. Aber es sah Nika nicht sehr ähnlich. Sie sah schöner darauf aus. Und sie war nicht schön, nicht im wirklichen Leben.
Der Mann sah jedoch nur das Äußere, konnte dem Bild nicht ansehen, wie häßlich sie darunter war. Er sagte: »Ich würde sie überhaupt nicht als hübsch bezeichnen.«
Er stand direkt neben ihr, ganz nah. Er duftete wie ein sauberer Mann – etwas Aftershave, vielleicht eine Pfeife. Aber nicht nach Schweiß oder Benzin, wie die meisten Männer, mit denen sie sich traf.
»Sie passen nicht richtig zusammen«, sagte sie. Sie merkte jetzt, daß sie immer noch keine Schuhe anhatte. Sie wandte sich dem Mann zu und hob für einen Moment ihr Kinn. Dann setzte sie sich auf den Schreibtisch ihres Vaters. »Wie war doch gleich Ihr Name?«
»Dismas. Kurz Diz.«
»Mir ist ein bißchen diesig«, sagte sie kichernd.
»Dann setzen Sie sich besser wieder.« Ganz unerwartet faßte er ihr Gesicht an, eine leichte Berührung, die ein Prikkeln in ihrem ganzen Körper verursachte. »Sind Sie in Ordnung? Möchten Sie etwas Wasser?«
Ohne auf eine Antwort zu warten, war er verschwunden. Als er kurz darauf zurückkam, reichte er ihr ihren mit Wasser gefüllten Kaffeebecher. Als ob er sich schon auskennen würde.
Er hätte seine Arme um sie legen und alles mit ihr tun können, was er wollte. Aber statt dessen ging er zum Sofa und setzte sich in eine Ecke. Sie trank einen Schluck Wasser.
»Als Nika und Ihr Vater heirateten, änderten sich die Dinge da?«
Sie schaute hinunter. »Er war ein anderer Mensch. Hatte einfach keine Zeit mehr für mich oder sonst jemanden, auch nicht mehr für die Firma. Alles, was er wollte, war« – ein kurzer Blick auf Nika –, »Zeit mit ihr verbringen.«
»Und Sie glauben, das ist das Problem in der Firma? Ich dachte, Ed versuchte, sie wieder auf Trab zu bringen?«
»Oh, Eddie. Eddie war großartig. Ich wollte damit nicht sagen, daß Eddie nicht gut war. In seinem Job, meine ich. Gerecht und, wissen Sie, ein wirklich netter Typ. Keine Reibereien, verstehen Sie?« Wieder nahm sie einen Schluck von dem Wasser. »Ich kann nicht glauben, was die sagen, daß er sich umgebracht hat.«
Hardy ging darauf nicht ein. »Aber es gab Schwierigkeiten in der Firma, und die fingen an, als Eddie die Firma leitete, richtig?«
»Na ja – ja und nein. Das wäre jedem passiert. Das hing alles mit La Hora und El Dia zusammen.«
»Das sagten Sie bereits. Was heißt das?«
»Sie kennen doch die El Dia , oder?«
Er schüttelte den Kopf.
»Das ist noch so eine Zeitung wie La Hora , wissen Sie. Wir sollten den Vertrieb machen. La Hora war unser größter Kunde, aber dann haben sie uns fallengelassen, sie machen alles wieder im eigenen Haus.« Sie schaute sich im Büro ihres Vaters um. »Und zu dem Zeitpunkt war es zu spät, El Dia zu bekommen. Sie hatten sich inzwischen mit anderen Vertriebsfirmen geeinigt. Der alte Cruz hat uns echt reingelegt.« Sie schüttelte den Kopf und ließ frustriert ihre Beine hinund herbaumeln.
»Ist es deshalb so leer hier?«
Das war ihre Gelegenheit. »Das kommt daher, daß das Geschäft schlecht läuft und heute Eds Beerdigung war. Außer uns ist niemand hier. Es ist auch bis jetzt niemand da gewesen.« Ein verführerischer Blick, Brust heraus. »Und es ist schon spät. Ich erwarte für den Rest des Tages niemanden. Ich könnte sogar jetzt schon abschließen, und es wäre egal.«
Er stand auf, und sie glitt mit einem kleinen Sprung vom Tisch. »Sie waren sehr hilfreich, Linda. Danke.«
Noch einmal Händeschütteln. Wieder cool, nüchtern, fest. Sie hielt die Hand extra lange fest, schaute ihm in seine grauen Augen. »Wir könnten vielleicht etwas trinken gehen. Wir könnten über vieles reden. Oder einfach hierbleiben«, wiederholte sie.
Er kniff sie sanft in die Wange. »Danke. Das würde ich gern«, sagte er, »aber ich bin im Dienst und habe noch einen Termin. Vielleicht ein anderes Mal, ja?«
»Sicher, das ist cool.«
Draußen bei ihrem Schreibtisch sagte sie: »Warten Sie eine Sekunde.«
Sie schrieb schnell ihren Namen und ihre Telefonnummer auf ihren Notizblock und riß den Zettel ab. »Falls Ihnen etwas einfällt, das Sie fragen wollten.«
Dann war er fort. Sie beobachtete, wie er durch die Hitzewellen dieses späten
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