Der Deal
drang.
Er überhörte sie glatt. Auf dem Tisch sah er das Messer und vielleicht noch ein Viertel von dem Pulver liegen, und in dem Bewußtsein, daß er gerade die Firma in den Ruin getrieben hatte, beugte er sich darüber, kratzte es in ein kleines Tütchen, fuhr mit seinem angefeuchteten Finger über das Holz und leerte es in seinen Mund.
»Wieviel ist da? Genug für deinen Deal?«
Er drehte sich um. Worüber sprach sie? Sie kniete immer noch vor dem offenen Safe, der voller Päckchen wie dem in seiner Hosentasche zu sein schien. Und sie schrie schon wieder.
»Ist das genug?«
Er schien nicht zu verstehen, was sie sagte. Er kam zu ihr und nahm ihr Gesicht in beide Hände.
»Hey.« Er wollte sie küssen, aber sie drehte sich zur Seite. Und wieder rief er leise: »Hey!«
Sie blickte zu ihm auf. »Das ist alles für sie, nicht wahr?« fragte sie. »Er bewahrt das hier alles für Nika auf.«
Was?
»Was tun wir jetzt?« fragte sie.
Alphonse wußte nicht, worüber sie sprach, aber er verstand den Sinn der Frage. »Wir marschieren jetzt hier raus«, sagte er und zeigte auf den Geldstapel, »mit dem ganzen Kies.«
»Nein«, antwortete sie.
»Was soll das heißen – nein?«
»Ich sage nein . Es gehört uns nicht. Wir leihen es uns nur.« Sie machte eine Bewegung, um die Safetür zu schließen. Da erinnerte er sich an die Lektion, die Ohrfeige, mit der er sie unter seine Kontrolle gebracht hatte, und er schlug zu.
Was er vergessen hatte, gerade in dem Augenblick, war die rasiermesserscharfe Klinge, die er geöffnet in seiner rechten Hand hielt. Und das nächste, was ihm bewußt wurde, war Blut, überall Blut, an ihm, auf dem Boden, überall.
Lindas Augen weiteten sich, als frage sie sich, was los sei. Sie öffnete ihren Mund, aber es kamen keine Worte heraus, nur noch mehr Blut.
Alphonse schaute verdutzt auf das Messer in seiner Hand, dann erst begriff er.
Er ließ es fallen, griff nach seinem T-Shirt, konnte es nicht zerreißen und preßte statt dessen Lindas T-Shirt an ihren Nacken. Da brach sie zusammen.
»Hey, Mädchen, es ist alles in Ordnung. Jetzt ist alles in Ordnung«, murmelte er. Er bettet ihren Kopf in seinen Schoß, aber das Blut floß überall, verteilte sich in Flecken über den Boden. Er zog sich unter ihr hervor, wiegte ihren Kopf in seinen Händen und legte ihn dann sanft in den Teich, der sich auf dem Boden gebildet hatte.
Er lehnte sich auf seine Fersen zurück. »Schei…«
Aber das Blut floß auch dorthin, wo er kniete, und da schon genug davon an ihm klebte, zog er sich weiter zurück und zwang sich dann aufzustehen. »Warum hast du das getan?« flüsterte er, wußte aber nicht einmal, wen er fragte.
Seine Hosentaschen waren geräumig, aber zwölf Geldpäckchen würden nicht hineinpassen, und so viele waren es insgesamt – noch elf. Er nahm sie aus dem Safe und stapelte sie auf dem Tisch.
Rasch lief er aus Sams Büro, vorbei an Lindas Sekretärinnentresen, durch die Halle und dann über den Parkplatz zum Lagerhaus, dorthin, wo die Zeitungen an nassen Tagen, also fast täglich, eingeschweißt wurden. Die Maschine dort spuckte Plastik zum Einwickeln aus und hatte eine Rolle, über der es verschweißt und dann sauber geschnitten wurde. Er knipste den Schalter an.
In zwei Touren hatte er es geschafft, und er versuchte dabei, nicht auf Linda zu sehen. Er konnte drei Geldbündel in jeder Hand halten – bei der zweiten Tour drei und zwei. Er legte zwei der Dreier-Bündel aneinander und gegenüber das letzte Dreier-Bündel und das Zweier-Bündel. Die zehntausend Mäuse in seiner blutbefleckten Tasche hatte er völlig verschwitzt. Zwar hatte er keine exakt symmetrische, zeitungsähnliche Form zusammengelegt, aber die Maschine arbeitete perfekt und schweißte das Ganze so zusammen, daß es aussah wie ein einziges langes Paket, einem Brotlaib nicht unähnlich.
Alphonses Atem ging schwer, und er war kein bißchen mehr high. Das eingeschweißte Geldpaket steckte er in eine braune Papiertüte, wie sie für die Sonntagszeitung verwendet wurden.
Draußen auf dem Parkplatz stand Lindas Wagen allein unter dem bewölkten und windigen Nachmittagshimmel. Alphonse ging daran vorbei zur Straße, die Tüte in der Hand.
Er hatte das Geld, er mußte nicht fahren. Wenn er einen strammen Schritt anschlug, wäre er bei Einbruch der Dunkelheit zu Hause. Es kam ihm nicht der leiseste Gedanke an das Messer, das auf dem Boden in einer immer größer werdenden Blutlache lag, auf halbem Weg zwischen dem
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