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Der Deal

Der Deal

Titel: Der Deal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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war, nein zu sagen.
    Ihr Blick fiel auf die Wand mit den Bildern. Sie und Ed hatten darüber gesprochen, die Bilder von Eddie abzuhängen, aber sie hatten eingesehen, daß das nichts bringen würde, ihr Schmerz würde dadurch nicht geringer. Das war nur eine von den idiotischen Ideen gewesen, die sie in der letzten Woche hatte.
    Mit ihrem Finger fuhr sie über den Rahmen des Bildes, das Eddie mit sieben Jahren zeigte, wie er auf einem Karussell saß, unten im Freizeitpark am Strand.
    Der kleine Junge saß auf einem Holzpferd, die Mähne flatterte im Wind, auf seinem Gesicht lag ein breites Lächeln. Erin erinnerte sich nur zu genau an diesen Tag. Sie konnte immer noch die Senfspur auf seiner Wange erkennen, die von seinem allerersten Corn dog herrührte. Der untere Bildrand wurde von einer Hand verdeckt. Das war Mick, der eine zweite Runde drehen wollte.
    Als ihre Augen über die restlichen Bilder glitten, bemerkte sie, daß dort nur wenige von Steven hingen, und es gab kein einziges, das ihn in den letzten zwei Jahren zeigte. Und wieder erschien Mick, der Ball spielte, sein Abschlußzeugnis erhielt, unten vom Pier ihres Sommerhäuschens am Bass Lake ins Wasser sprang. Jodie war zu sehen, die ihr Zeugnis erhielt und sich vor lauter Konzentration auf die Zunge biß, während sie in ihrer ersten Uniform im Pfadfinderlager in Mercy das Essen zubereitete.
    Sie trat einen Schritt zurück, um die ganze Bilderwand zu überblicken, und suchte nach Bildern von Steven. Es gab eines, das vor zwei Jahren aufgenommen war, auf dem er mit Eddie zusammen auf dessen Hochzeit zu sehen war. Das war, bevor er sein Haar so lächerlich verunstaltet hatte, daß Big Ed ihn skalpieren wollte. Das nächste Bild von ihm war noch ein Jahr älter, ein richtiger Schnappschuß von ihm und Eddie und ihrem Vater, wie sie mit den Eimern voller Lachs nach Hause kamen.
    Das waren sie, die jüngsten Bilder von Steven. Das nächste in der Reihe zeigte einen gezwungen lächelnden Steven mit ungefähr acht Jahren, zusammen mit Jim auf dem Vordersitz der Corvette, dem Auto, das Jim so geliebt hatte. Das Bild davor zeigt ihn bei seiner ersten Kommunion im weißen Anzug.
    Wie war es nur möglich, daß ihr und Big Ed entgangen war, was diese Wand so deutlich zeigte? Es gab kein einziges Bild von Steven in den letzten sechs Jahren, das nur ihn allein zeigte, als Mittelpunkt des Geschehens.
    Letzte Nacht, als alle schon längst schlafen gegangen waren, hatten sie und Big Ed sich überlegt, ob sie irgend etwas hätten anders machen können. Aber selbst unter dem mahnenden Blick all dieser Bilder waren sie nicht darauf gekommen. Es war doch immer wieder das gleiche, dachte sie. Es war ihnen einfach nicht in den Sinn gekommen, daß er, Steven, nicht zusammen mit seinen Brüdern und seiner Schwester dort an der Wand hing. Ein gutes, wohlgeratenes Kind wie die anderen auch. Schließlich hatten sie alle die gleiche Erziehung genossen – die gleiche Umgebung, die gleichen Werte waren ihnen vermittelt worden. Selbstverständlich waren sie alle gut geraten.
    Nachdem sie bei Eddie und Mick alle elterlichen Probleme und Entscheidungen durchgestanden hatten und natürlich bei Jodie – bei ihr kamen noch ganz andere Probleme hinzu, denn sie war die erste Tochter –, hatten sie geglaubt, als Steven dann auf die Welt kam, daß sie alles schon einmal gemacht hatten, und zwar gut, nicht wahr? So bedeutete die Aufgabe, Steven großzuziehen, nichts Neues, denn es war ja das gleiche wie vorher die Aufgabe, Eddie oder Mick großzuziehen.
    Und endlich hatte sie etwas Zeit für sich herausschlagen können, um das nagende Schuldgefühl zu besänftigen, daß sie in ihrem Leben nichts anderes fertiggebracht hatte, als Kinder großzuziehen. Nicht, daß das nicht wichtig wäre, aber sie hatte mehr zu bieten.
    Und Big Ed ging es genauso. Er hatte auch endlich Zeit gefunden, das zu tun, was er schon immer tun wollte – angeln gehen, einmal im Monat Poker spielen und, als Wichtigstes von allem, einsame Mußestunden, in denen er in dem Raum neben der Garage saß und las oder hinunter zum Strand spazierte. Keinem von beiden war der Gedanke gekommen, daß sie Steven vernachlässigten.
    Vielleicht war ihnen der Gedanke an das, was doch so klar vor ihren Augen lag, einfach zu unerträglich gewesen. Sie hatten nicht wahrhaben wollten, daß Steven sich von ihnen entfernte, daß er keinesfalls wie ihre anderen Kinder war. Nein, das paßte nicht in ihren Traum vom Genuß der hart erarbeiteten

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