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Der Delta-Stern

Der Delta-Stern

Titel: Der Delta-Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Türschwellen weitere exotische Warnungen vorzufinden, Warnungen von Halsabschneidern, denen die Boat-People nicht so schnell entkommen konnten, wie sie auf den Bootsreisen über tückische Meere anderen Schrecknissen entkommen waren, als die Leute immer noch gehofft hatten, ihren Schändern, Räubern und Mördern eines Tages ein für allemal aus dem Weg gehen zu können, nur um dann doch immer wieder aufs neue mit ihnen konfrontiert zu werden.
    So jedenfalls erging es den wenigen Glücklichen, den Überlebenden, die man auf so wundervolle Weise der Freiheit ausgeliefert hatte, hier im Zentrum von Los Angeles, wo ihnen Gangster aus ihrem Heimatland und dessen Nachbarstaaten Hundeköpfe an die Tür nagelten, wenn sie ihre schwer verdienten Scheine nicht rausrücken wollten.
    »Verfluchte Scheiße«, sagte Dilford. »Ich weiß nicht, wer da angerufen hat, verdammt noch mal, und es ist mir auch völlig scheißegal. Gegen diesen Schuppen hier ist ja sogar das Haus des Jammers ein fröhliches Haus. Los, bloß schnell wieder hier weg.«
    Dann hörten sie eine Frau jammern. Es war ein Jammern, das sich fast wie frommes Singen anhörte, wie die Klage von Menschen, die jahrelang den Widerschein von Feuer und Explosionen am Himmel beobachten mußten und ihre Unterdrücker nur noch um Gnade und Barmherzigkeit anflehen können.
    »Zum Teufel, wer ist das denn nun schon wieder?« sagte Jane Wayne.
    Und dann kroch die große junge Frau behutsam auf die dritte Tür auf der linken Seite zu, von der man das Namensschild schon vor langer Zeit geklaut hatte, genau wie die kupfernen Installationen im ganzen Haus, die inzwischen durch Rohre aus Plastik ersetzt worden waren. Die vier Cops gaben sich gegenseitig Deckung, als Jane Wayne mit ihrem Schlagstock vorsichtig an die Tür klopfte. Das Jammern wurde lauter und ging in ein gesangähnliches, rhythmisches Leiern über.
    Dann machte ein neunjähriger Junge die Tür auf. Er war ein zartes Kind mit wimpernlosen Augen. Jemand hatte ihm die Haare so ungeschickt geschnitten, daß oben überall die Kopfhaut durchschimmerte.
    »Sprichst du englisch?« fragte Dilford, und das Kind, das ein T-Shirt mit der Aufschrift »I love Los Angeles« und kurze Hosen und Sandalen trug, die ihm viel zu groß waren, starrte ihn nur an. Unerschrocken.
    »Scheiße«, sagte Dilford nervös. Dann steckte er kurz den Kopf in das Apartment, das der durch und durch erfinderische Slumbesitzer mit einer Trennwand aus Sperrholz in zwei Hälften unterteilt hatte, damit sich die Anzahl der Mieter pro Apartment verdoppeln ließ.
    Dilford sagte: »Hey, kann hier einer Englisch?«
    Das Singsanggejammer hörte sekundenlang auf, fing jedoch gleich wieder an. Dann trat ein Mann aus diesem Zimmer des Jammers. Er wirkte alterslos, hatte borstige, schwarze Haare, sah graugelb aus und war sehr hager. Er trug eine Hose, die sechs Nummern zu groß war und von einem riesigen Ledergürtel festgehalten wurde. Er trug Duschsandalen aus Gummi mit einem Riemen zwischen den Zehen. Er trug ein schmutziges, durchgeschwitztes Unterhemd.
    Und sein Körper wies tausend Narben auf, Narben von unzähligen Stichwunden und Schlägen.
    »Ich hab von dieser Scheiße allmählich wirklich die Schnauze voll«, sagte Runzel-Ronald spontan. »Die anderthalb Tage, die ich noch abreißen muß.« Trotzdem ließ Runzel-Ronald die drei jüngeren Cops stehen und trat ein paar Schritte vor. Er nahm den alterslos wirkenden Mann beim Arm und nickte ihm dabei aufmunternd zu.
    »Okay?« sagte Runzel-Ronald. »Okay? Wir tun Ihnen doch gar nichts. Okay?« Und er zog das ärmellose Unterhemd hoch, entblößte den knochigen Oberkörper des alterslos wirkenden Mannes und sagte: »Tausend Narben. Ich hab von dieser Scheiße wirklich die Schnauze voll.«
    Und der alterslos wirkende Mann, der kein Wort Englisch verstand, sah den verrunzelten Cop an, als ob er sagen wollte: »Ich auch.«
    Dilford war zwar dienstälter als Jane Wayne und Dolly und hielt sich wegen seiner dreijährigen Zugehörigkeit zur Polizei für einen ausgekochten Veteranen, hatte jedoch kaum jemals in Asiatenvierteln zu tun gehabt, schon gar nicht in den Wohngegenden der Boat-People.
    »So was ist typisch für diese Chinesengangs«, sagte Runzel-Ronald. »Aber irgendwie sieht der Kerl gar nicht wie 'n Chinese aus.« Dann wandte er sich an den alterslos wirkenden Mann und sagte: »Kambodscha? Du?«
    Der alterslos wirkende Mann starrte die Wand an und sah aus, als wolle er wirklich alles akzeptieren, was

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